Anubis - Roman
Grubenlampe gerade im richtigen Moment auf die Treppe, um zu sehen, wie Graves hereinstolperte; und das wortwörtlich. Er machte zwei, drei, schließlich vier Schritte, von denen einer größer und ungeschickter war als der andere, fiel schließlich auf Hände und Knie hinab und versuchte den Schwung seiner eigenen Bewegung zu nutzen, um wieder in die Höhe zu springen – wodurch er endgültig nach vorne gerissen wurde und haltlos über den rauen Boden auf das Ufer zuschlitterte.
Hinter ihm stürmte ein Ghoul herein.
Das Ungeheuer überwand die letzten drei oder vier Stufen mit einem einzigen, federnden Satz, mit dem er zwar ebenfalls auf Händen und Knien landete, aber sofort wieder in die Höhe schoss. Mit einem zornigen Knurren fuhr er herum und hielt nach seiner Beute Ausschau. Fänge und Zähne blitzten im kalten Licht des Scheinwerfers, und seine Augen funkelten tückisch. War das Blut, was da von seinen Reißzähnen tropfte?
Mit einem ungeheuerlichen Brüllen stürzte der Ghoul vor, weit nach vorne gebeugt und auf eine groteske Art hüpfend wie ein absurd großer Affe. Seine Krallen rissen Funken aus dem Stein und verfehlten Graves’ Gesicht nur um Haaresbreite. Graves schrie auf, warf sich herum, und der Ghoul stieß mit seinem gewaltigen, klauenbewehrten Fuß nach seinem Gesicht. Graves entging ihm auch dieses Mal mit einer verzweifelten Bewegung, doch der Fuß der riesigen Bestie stanzte mit grausamer Wucht auf seine linke Hand hinab und zermalmte sie.
Graves brüllte vor Schmerz. »Mogens!«, kreischte er. »Schieß!«
Mogens hatte nichts, um zu schießen. Graves musste seine eigene Waffe irgendwo verloren haben, und Toms Gewehr lehnte immer noch oben an der Wand, wo er es zurückgelassen hatte. Mogens konnte ihn nur hilflos anstarren, während Miss Preussler ihre Lampe herumschwenkte und den Strahl direkt ins Gesicht des Ungeheuers richtete. Der Ghoul brüllte wie unter Schmerzen auf, riss die Arme vor das Gesicht, um seine empfindlichen Augen zu schützen, und prallte ein Stück zurück, und Graves nutzte die Chance, um sich trotz seiner schrecklichen Verletzung aufzurappeln und weiter auf das Boot zuzustolpern. Der Ghoul knurrte wütend und stürzte ihm nach. Seine Krallen blitzten auf wie winzige, gefährliche Messer. Mogens hörte das Geräusch von reißendem Stoff, das von einem gellenden Schrei aus Graves’ Kehle verschluckt wurde, doch Graves stolperte dennoch weiter, erreichte das Ufer und stieß sich mit einer verzweifelten Bewegung ab. Er landete ungeschickt und mit solcher Wucht unmittelbar neben Mogens im Boot, dass die Barke sich fühlbar auf die Seite legte und mit einem schweren Klatschen zurückfiel. Der plötzliche Ruck brachte auch das Mädchen aus dem Gleichgewicht. Es prallte gegen den Sarkophag und stürzte, und auch Mogens kämpfte einen Moment lang mit gespreizten Beinen um seine Balance und gewann diesen Kampf nur, weil er sich mit beiden Händen an der Stange festhielt. Einzig Miss Preussler reagierte mit erstaunlicher Kaltblütigkeit: Das Ungeheuer stürmte brüllend heran, und als es noch zwei Schritte vom Ufer entfernt war, beugte sie sich vor und riss die Stange zur Seite. Der Ghoul registrierte die Gefahr vielleicht noch im letzten Moment und versuchte sich herumzuwerfen, aber es war zu spät. Er prallte mit nahezu ungebremstem Tempo gegen die Stange, deren Ende noch immer im Schlamm des Kanalbodens steckte. Mogens glaubte die Rippen des Ungeheuers knirschen zu hören, und aus dem wütenden Brüllen des Ghoul wurde ein wimmerndes Röcheln. Das Ungeheuer brach in die Knie, schlang die Arme um den Oberkörper und begann sich langsam zur Seite zu neigen, und Mogens hoffte schon, dass er einfach weiterkippen und ins Wasser stürzen würde. Zu seinem Entsetzen musste er jedoch erkennen, dass sich der Ghoul im letzten Moment wieder fing und sogar damit begann, sich schwankend wieder hochzuarbeiten.
»Miss Preussler!«, brüllte er. »Die Stange! Staken Sie.« Gleichzeitig stemmte auch er sich mit verzweifelter Gewalt gegen die Stange. Das Boot begann zu zittern. Eine einzige, furchtbare Sekunde lang schien es sich gar nicht von der Stelle zu rühren, dann aber setzte es sich schwerfällig in Bewegung.
Der Ghoul war mittlerweile wieder ganz auf die Füße gekommen, aber er musste sich wohl doch schwerer verletzt haben, als es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte. Er wankte. Blut lief aus seinem halb offen stehenden Maul. Er hatte sich verletzt, wenn auch wohl nicht
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