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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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keineswegs daran hinderte, sich in zunehmendem Maße über »diesen Unsinn« lustig zu machen; vornehmlich dann – und mit ihrer tatkräftigen Unterstützung –, wenn er sich in Ellens Begleitung befand. Er ließ buchstäblich keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass kein auch nur halbwegs intelligenter Mensch wirklich an einen solchen Quatsch glauben konnte.
    Also lag es auf der Hand, es ihm genau auf diese Weise heimzuzahlen. Obwohl Mogens im Grunde nichts von solcherlei infantilen Scherzen hielt, hatte ihn Marc in den letzten Monaten weit genug gereizt, um sich einen kräftigen Denkzettel verdient zu haben.
    Dennoch war er für einen Moment nicht mehr ganz sicher, ob sich das, was ihnen allen bei der Planung wie eine hervorragende Idee erschienen war, nicht in Wahrheit als äußerst dummer Einfall erweisen würde. Marc und Ellen hatten sich diesen Dämpfer verdient, ganz ohne Zweifel – aber wenn er jetzt in die Tasche griff und die Kautschukmaske aufsetzte, an der Jonathan, Janice und er eine gute Woche gebastelt hatten, dann würde das dem Rest des Abends einen vollkommen anderen Verlauf geben, als es im Moment noch möglich war.
    Mogens dachte an das lautlose Versprechen, das er in Janice’ Augen gelesen hatte, und eine Woge kribbelnder Wärme begann sich in seinem Leib auszubreiten. Gut, sie befanden sichauf einem Friedhof , eine – unabhängig von Gründen der Pietät und Sittlichkeit – durchweg morbide Umgebung, aber schließlich waren sie keine mittelalterlichen Scholaren, sondern aufgeklärte junge Akademiker des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts, und ihm blieben nur noch zwei Tage, bis er und Janice sich endlose Monate lang nicht mehr sehen konnten. Friedhof hin oder her, es gab genug verschwiegene Winkel, und der zurückliegende Abend und der ungewohnte Portwein taten ihre Wirkung. Mogens war oft genug auch tagsüber hier gewesen, um sich auszukennen.
    Es gab – nicht einmal weit von seinem Standort entfernt – gleich eine ganze Anzahl kleiner, schon vor einem Menschenalter aufgegebener Mausoleen, die vor allem von jüngeren Studentenpärchen gern als verschwiegener Treffpunkt benutzt wurden. Was man allein schon daran sah, dass es das Friedhofspersonal schon vor langer Zeit aufgegeben hatte, die Vorhängeschlösser an den Türen zu erneuern, die sowieso in jeder Nacht wieder aufgebrochen wurden. Auch Mogens war schon das eine oder andere Mal dort gewesen, wenn auch nicht mit Janice und nicht mehr, seit aus ihrer platonischen Freundschaft mehr geworden war. Dennoch wusste er, dass es nur wenige Schritte bis zum nächsten dieser verschwiegenen kleinen Totenhäuser waren, ebenso wie ihm klar war, dass es in dieser speziellen Nacht vermutlich nur einer flüchtigen Kopfbewegung bedurfte, damit Janice ihn dorthin begleitete.
    Falls es Janice war, deren Schritte er noch immer in der Dunkelheit vor sich hörte. Mogens war sich dessen mittlerweile nicht mehr so sicher wie noch vor Augenblicken. Jonathan und er waren den anderen in einigem Abstand gefolgt, aber sie hatten sich aus den Augen verloren, als Janice – was zu ihrem Plan gehörte – plötzlich losgerannt war und ihr mitternächtliches Versteckspiel damit eröffnet hatte. Sie hatten vereinbart, dass sie und Beth dafür Sorge tragen würden, dass sich die beiden anderen nicht allzu weit von Jonathan und ihm entfernten, aber die Dunkelheit, die Mogens behinderte, konnte sie schließlich ebenso narren, sodass sie möglicherweise in die falsche Richtung gegangen war. Und es war nichteinmal sicher, dass es sich bei Graves, ihm selbst nebst ihren weiblichen Begleiterinnen und den beiden Opfern ihres geplanten Ulks um die einzigen nächtlichen Besucher des Gottesackers handelte. Bei allem Überschwang wäre es ihm doch unangenehm gewesen, Fremde – womöglich noch in einer peinlichen Situation – zu überraschen. Und er war nicht mehr sicher, dass die Schritte dort vor ihm tatsächlich Janice oder einem der anderen aus ihrer Gruppe gehörten.
    Er war nicht einmal sicher, dass sie einem Menschen gehörten.
    Mogens erschrak ein wenig vor seinem eigenen Gedanken. Was sollte es sonst sein, das sich da in der Nacht vor ihm bewegte? Es gab in diesem Teil des Landes schon seit fünfzig Jahren keine frei lebenden Tiere mehr – zumindest keine, die groß genug waren, solche Schritte zu machen –, und trotz – oder gerade wegen – seiner schon fast an eine Obsession grenzenden Leidenschaft für alles Okkulte und Unerklärliche war

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