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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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größerem Maße von Studentenpärchen vorzugsweise beiderlei Geschlechts, die den jahrhundertealten Gottesacker als verschwiegenen Treffpunkt zu schätzen wussten, seit es diese Universität gab. Er war wieder mit Janice zusammen, hörte ihr helles Lachen, ihre leichten, huschenden Schritte und ihre übertrieben geschauspielerten, kleinen Schreckensschreie, die sie immer dann ausstieß, wenn er ihrer Meinung nach Gefahr lief, sie in der Dunkelheit des mitternächtlichen Friedhofes zu verlieren.
    Sie waren nicht allein auf dem Friedhof. Die Feier hatte bis weit in der Abend gedauert, und mit jeder Stunde, die verging, jedem Glas Punsch, das sie getrunken hatten, war die Stimmung ausgelassener geworden, die Scherze infantiler. Es war noch nicht Mitternacht gewesen, aber auch nicht mehr lange bis dahin, als das alte Faktotum des Studentenwohnheims erschien, nur mit einem zerschlissenen Morgenmantel und Filzpantinen bekleidet, mit verstrubbeltem Haar und einem Gesicht, das von langen Stunden gezeichnet war, in denen er vergeblich versucht hatte, den Lärm aus der oberen Etage zu ignorieren, und die Feier griesgrämig für beendet erklärte. Er war nicht wirklich zornig gewesen, denn zu viele Jahre mit zu vielen Abschlussfeiern hatten ihn gelehrt, wie sinnlos Aufregung über ein gewisses Maß hinaus war – vor allem Studenten gegenüber, die das letzte Semester und alle Prüfungen erfolgreich hinter sich gebracht und somit auch nichts mehr zu verlieren hatten. Nicht einmal mehr mit einem Hausverweis konnte er ihnen drohen, denn die meisten Studenten hatten den Campus bereits verlassen, und die, die es noch nicht getan hatten, waren im Begriff, auszuziehen. Auch in Mogens’ Brieftasche befand sich bereits eine Fahrkarte nach New Orleans, wo er – zugegeben durch die Fürsprache seines Doktorvaters und ohne selbst ganz genau zu wissen, was ihn erwartete – eine Anstellung an einem kleinen, aber äußerst renommierten Forschungsinstitut in Aussicht hatte; nichts Besonderes, wie sein Professor gesagt hatte, und schon gar keine gut bezahlte Stellung, aber eine, die zwei unbestreitbare Vorzüge hatte: Zum einen war sie ein ausgezeichnetes Sprungbrett für eine wissenschaftliche Karriere, und zum anderen gehörte dazu eine kleine, aber separate Wohnung, die auch für zwei durchaus ausreichend war, wenn man ein wenig zusammenrückte. Janice hatte noch ein Jahr vor sich, aber ein Jahr, so endlos es einem auch erscheinen mochte, wenn es vor einem lag, war eine überschaubare Zeit, die irgendwann zu Ende ging. Janice’ Leistungen und Noten waren nicht ganz so überragend wie die von Mogens, trotzdem aber gut genug, keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass sie in spätestens einem Jahr nachkommen würde. Janices Eltern waren ebenso wenig wie die Mogens’ in der Lage, ihre Tochter über das absolut Notwendige hinaus zu unterstützen, aber auch wenn Mogens’ neue Stellung schlecht bezahlt wurde, sie wurde bezahlt, und wenn er sich ein wenig einschränkte und besonnen wirtschaftete, dann würde das ersparte Geld ausreichen, ihr in den Semesterferien und zu den Feiertagen eine Fahrkarte nach New Orleans zu schicken. Das mit dem Zusammenrücken würde sich dann schon ergeben, dachte Mogens, während er wieder einmal stehen blieb und auf die leichten Schritte lauschte, die irgendwo rechts vor ihm in der Dunkelheit erklangen.
    Nicht, dass er vorhatte, noch so lange zu warten. Janice und er hatten sich an dem Tag kennen gelernt, an dem sie nach Harvard gekommen war, und seit mittlerweile gut drei Jahren waren sie zusammen. Sie waren noch nicht bis zum Äußersten gegangen, aber Mogens war ein gesunder junger Mann mit normalen Bedürfnissen und Janice eine moderne, aufgeschlossene junge Frau, die die Grenzen einer gewissen Sittsamkeit zwar niemals überschritten hätte, trotzdem aber manchmal Dinge tat und vor allem sagte , die Mogens’ strenggläubiger Mutter die Schamesröte ins Gesicht getriebenhätte. Sie hatten nicht darüber gesprochen , das verbot ihnen allein der Anstand, aber gewisse Bemerkungen und vor allem Blicke hatten Mogens doch begreifen lassen, dass sie ihm das allerletzte Geschenk noch vor seiner Abreise machen würde, um das Treueversprechen auf das kommende Jahr zu besiegeln. Was nichts anderes bedeutete als heute oder spätestens morgen, denn schon am Tag darauf würde er seine wenigen, schon seit Tagen fertig gepackten Habseligkeiten nehmen und Harvard verlassen.
    Wieder erklangen Schritte vor ihm in

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