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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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der Dunkelheit, die ihn aus seinen Gedanken herausrissen. Mogens hatte sich hinter einen der fast mannshohen, uralten Grabsteine geduckt, die diesen Teil des Friedhofes beherrschten, um seinerseits nicht gesehen zu werden, aber das war vermutlich gar nicht nötig. Die Dunkelheit war fast vollkommen. Neumond war erst zwei oder drei Nächte her, und der Himmel war bedeckt. Früher am Abend hatte es nach einem Unwetter ausgesehen. Der Regen war ausgeblieben, aber die Wolken hielten sich trotz des frischen Windzugs hartnäckig, und es war so dunkel, dass Mogens Mühe hatte, die berühmte Hand vor Augen zu sehen. Seinem neckischen Versteckspiel mit Janice war diese stygische Finsternis nicht unbedingt zuträglich, für das, was Jonathan und er sich ausgedacht hatten, kam sie jedoch wie bestellt.
    Während er konzentriert auf die leichtfüßigen Schritte lauschte und versuchte, ihre genaue Entfernung und Richtung einzuschätzen, kamen ihm zum letzten Mal Zweifel. Nicht, dass er Skrupel gehabt hätte. Marc und vor allem diese schreckliche Ellen, eine unmögliche Person, mit der er jetzt seit einem guten Jahr zusammen war, was absolut niemand verstehen konnte – böse Zungen behaupteten, nicht einmal er selbst –, hatten sich diesen Denkzettel schon lange verdient. Alle Vorbereitungen waren getroffen, Jonathan, Beth und vor allem Janice instruiert, und sie hatten ihren Plan lange und ausgiebig genug besprochen, sodass eigentlich nichts mehr schief gehen konnte.
    Dabei hatte es ganz harmlos angefangen. Jonathan Graves, Marc Devlin und er selbst, Mogens, teilten sich seitgut sechs Jahren dasselbe Zimmer im Wohnheim der Studentenvereinigung, und so hatte es gar nicht ausbleiben können, dass jeder nahezu alles über die jeweils anderen wusste. Mogens hatte dies nie sonderlich viel ausgemacht. Er führte ein normales Studentenleben und hatte – wenn überhaupt – die gleichen Geheimnisse, die alle Studenten seines Alters hatten. Jonathan, Marc und er waren keine wirklichen Freunde und empfanden auch nicht genug Sympathie füreinander, um es jemals zu werden, aber sie waren Zimmergenossen und Kommilitonen, und das bedeutete, dass man einander respektierte und auch über gewisse Schwächen und Mangelhaftigkeiten des anderen hinwegsah. Die ersten fünf dieser sechs Jahre hatte diese unausgesprochene Vereinbarung funktioniert, die so alt war wie das Studentenleben. Dann hatte Marc Ellen kennen gelernt, und alles war anders geworden.
    Ellen war eine sonderbare Person, und nicht nur Mogens fragte sich vergebens, was Marc an ihr fand. Sie war weder sonderlich attraktiv, noch glänzte sie durch außergewöhnliche Klugheit oder Eloquenz. Aber sie übte einen unbestreitbar schlechten Einfluss auf Marc aus. Er begann sich zu verändern, wurde egoistisch und unduldsam und in der Folge in zunehmendem Maße überheblich. Nichts, woran er nichts auszusetzen gehabt hätte, kein Verhalten seiner Zimmerkameraden, über das er sich nicht beschwert, keine kleine Schwäche, auf die er nicht hingewiesen und sich ausgiebig darüber lustig gemacht hätte, und das oft genug auf boshafte Art. Anfangs hatten sowohl Jonathan als auch Mogens versucht, dieses Verhalten einfach zu ignorieren, was ihnen aber schwerer und schwerer fiel, bis es sich am Ende als vollkommen unmöglich herausstellte.
    Und so wurde der Plan geboren, es Marc und seiner rothaarigen Harpyie am letzten Abend heimzuzahlen. Eine Idee war schnell gefunden, schließlich wurden es weder Marc noch Ellen müde, ihnen eifrig Munition zu liefern.
    Ein Punkt, auf dem Marc – vor allem coram publico  – herumzureiten nicht müde wurde, war Mogens’ allseits bekannte Vorliebe für Über- und Außersinnliches. Zwar stimmtees, dass Mogens dieser Passion schon fast besessen nachhing, doch jedermann wusste, das er dabei von einem rein wissenschaftlichen, rationalen Standpunkt ausging. Je obskurer ihm eine Geschichte erschien, je verrückter eine Legende war, je scheinbar unerklärlicher ein Vorfall, desto begeisterter stürzte sich Mogens darauf und versuchte, den wahren Kern in den Legenden zu finden, das Erklärbare aus dem scheinbar Unerklärbaren zu extrahieren und zu begreifen, was scheinbar unbegreiflich war; und wenn schon nicht das, so doch wenigstens zu verstehen, warum es unbegreiflich blieb. Mogens war zu einem Jäger des Okkulten geworden, aber aus dem einzigen Grund, all diese Dinge ihres Zaubers zu berauben. Jedermann hier wusste das, Marc eingeschlossen – was ihn aber

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