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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Boden herausgesickert warund sich zu Pfützen gesammelt hatte. Es sah aus, als wäre der verlassene Friedhof mit Millionen kleiner Spiegelscherben übersät.
    Mogens runzelte verwirrt die Stirn, als ihm die Bedeutung dieser Beobachtung klar wurde. Wer um alles in der Welt war so verrückt, einen Friedhof mitten in einem Sumpf anzulegen?
    Er besann sich wieder auf den Grund seines Hierseins, drehte sich in einem langsamen Dreiviertelkreis und versuchte die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Es war hier deutlich heller als in Graves’ Lager, aber eine mondlose Nacht blieb eine mondlose Nacht, und Mogens konnte nicht wirklich weiter als fünfzehn oder zwanzig Schritte sehen. Dennoch glaubte er nach einer Weile eine Bewegung wahrzunehmen, irgendwo links von ihm und im Grunde schon weit jenseits des Bereiches, den er überhaupt überblicken konnte. Sie war vage, und irgendetwas daran kam ihm auf unheimliche Weise falsch vor, ohne dass er sagen konnte, wieso. Zugleich glaubte er auch wieder Stimmen zu hören, doch auch daran war etwas nicht so, wie es sein sollte.
    Die zwar immer leiser werdende, aber trotzdem noch vorhandene Stimme seiner Vernunft flüsterte ihm zu, dass jetzt nun unwiderruflich der Moment gekommen war, mit dieser kindischen Mutprobe Schluss zu machen und zurückzugehen, bevor er sich möglicherweise mehr ruinierte als nur ein Paar wildlederner Schuhe. Doch statt auf sie zu hören, wandte sich Mogens in Richtung des unheimlichen Schattens und ging los. So kindisch ihm selbst der Gedanke auch vorkam, es war eine Mutprobe, und er hatte sich schon zu weit auf dieses Spiel mit sich selbst eingelassen, um jetzt noch zurückzukönnen. Er konnte gewinnen oder verlieren, ihr aber nicht mehr aus dem Weg gehen.
    Mogens war fest entschlossen, sie zu bestehen. Er hatte sich den schlimmsten Dämonen seines Lebens gestellt und sich so lange zugeredet, bis er selbst zu der Überzeugung gekommen war, dass Graves kein von Gott gesandter Racheengel war, der zu dem einzigen Zweck existierte, sein Leben zu verheeren, sondern nichts weiter als ein unangenehmer Mensch. Erwürde nun gewiss nicht vor dieser anderen, viel kleineren Herausforderung kapitulieren und Reißaus vor einem verlassenen Moorfriedhof nehmen, auf dem ihn ein Schatten narrte. Mogens bewegte sich weiter auf den verschwimmenden Schemen zu, verlor ihn aber zwischenzeitlich immer wieder aus den Augen, denn er musste mindestens ebenso konzentriert darauf achten, wohin er seine Schritte lenkte, wollte er nicht Gefahr laufen, doch noch einen Schuh einzubüßen oder zu stürzen.
    Er hätte damit rechnen müssen, war aber dennoch zutiefst enttäuscht, als er irgendwann einmal aufsah und der Schatten nicht mehr da war. Obwohl der Weg immer schlechter wurde, ging er noch einige Schritte weiter, bevor er endgültig bereit war, die Sinnlosigkeit seines Tuns einzusehen und enttäuscht Halt machte. Es hatte keinen Sinn mehr, sich etwas vorzumachen: Falls dort vorne überhaupt jemals etwas gewesen war – jetzt war es definitiv nicht mehr da, und er konnte ebenso gut kehrtmachen. Mit ein wenig Glück schaffte er es vielleicht sogar, rechtzeitig genug zu seiner Unterkunft zurückzukehren, um sich umzuziehen und zu säubern, bevor Tom kam, um das Geschirr abzuräumen, sodass niemand etwas von seiner Abwesenheit bemerkte.
    Er hatte nicht vor, den gleichen Weg zurückzugehen, den er gekommen war, sondern wandte sich nach links, wo die Friedhofsmauer nur ein gutes Dutzend Schritte entfernt war. Sie kam ihm hier ein wenig höher vor als an dieser Stelle, an der er sie das erste Mal überstiegen hatte, aber die Aussicht, den Rückweg halbwegs trockenen Fußes zurücklegen zu können, erschien ihm ein kleines bisschen Kletterei durchaus wert.
    Er umging einen mehr als mannshohen, deutlich schräg stehenden Grabstein, trat mit einem weit ausgreifenden Schritt über eine besonders große Schlammpfütze hinweg und hob den Blick.
    Und sah seiner Vergangenheit ins Gesicht.
    Neun Jahre seines Lebens lösten sich im Bruchteil einer Sekunde einfach auf. Er befand sich nicht mehr auf einemsumpfigen Friedhof vierzig Meilen östlich von San Francisco, sondern war wieder achtundzwanzig Jahre alt, hatte seine Promotion seit einer knappen Woche hinter sich und strolchte ebenso trunken vor Liebe wie von teurem Portwein über den kleinen Friedhof, der nur einen knappen Steinwurf vom Campus entfernt lag und nicht nur von trauernden Hinterbliebenen frequentiert wurde, sondern in noch weit

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