Anubis - Roman
über Energie , Professor«, gab McClure zu bedenken. »Nicht über Worte .«
»Und was sind Worte anderes als Schallwellen?«, fragte Mogens in beinahe triumphierendem Ton. »Was, wenn sie etwas bewirken, von dem wir keine Vorstellung haben? Wenn sie mit Kräften der Natur kommunizieren, von deren Existenz wir möglicherweise noch gar nichts ahnen?«
»Natürlich«, sagte Hyams spöttisch. »Aber irgendwelche keltischen Druidenpriester vor fünftausend Jahren haben sie gekannt.«
»Möglicherweise«, sagte Mogens. »Selbstverständlich hatten sie keine Ahnung von der Existenz elektrischen Stroms, von Strahlungen und Kraftfeldern. Aber vielleicht haben sie einfach etwas beobachtet. Vielleicht ist ihnen aufgefallen, dass bestimmte Dinge geschehen, wenn sie bestimmte Worte sagen. Sie haben das, was sie beobachtet haben, in Worte gekleidet, ohne zu ahnen, dass es nicht die Worte sind, sondern das Muster an Schallwellen, das sie dabei hervorrufen.«
»Das ist doch Blödsinn«, sagte Hyams.
Mogens hob die Schultern. »Ich sage nicht, dass es so gewesen ist«, antwortete er. »Ich sage, dass es so gewesen sein könnte .«
»Oh, natürlich«, versetzte Hyams spöttisch. »Und es gibt sicher auch den Teufel und Werwölfe und fliegende Dämonen.«
»Es gab auf dieser Welt Geschöpfe, die selbst uns wie Dämonen vorkommen würden«, antwortete Mogens ruhig. »Vielleicht gibt es so etwas wie ein kollektives Gedächtnis. Es kann schwerlich ein Zufall sein, dass bestimmte Archetypen immer wieder auftauchen, in allen Zeiten und allen Kulturen. Wir alle haben die gleichen Urängste, Doktor. Gleich, in welchem Teil der Welt wir geboren und in welchem Kulturkreis wir aufgewachsen sind. Vielleicht ist das, was wir spüren, die Erinnerung unserer Vorfahren, die seit Millionen Jahren in unserem kollektiven Gedächtnis gespeichert ist.«
Hyams lachte trocken auf. »Und Sie nennen sich Wissenschaftler?«
»Ich habe keine Behauptungen aufgestellt«, sagte Mogens sanft. »Ich wollte Ihnen nur verdeutlichen, was mich an diesen Dingen interessiert.«
»Als Wissenschaftler, nehme ich an«, sagte Hyams spöttisch. Sie lachte erneut verächtlich – aber plötzlich veränderte sich etwas in ihrem Blick. Ihr Lächeln erlosch, und ihre Augen wurden schmal, während sie Mogens mit einer vollkommen neuen, anderen Feindseligkeit anstarrte.
»VanAndt«, murmelte sie. Sie wandte mit einem Ruck den Kopf, starrte eine Sekunde lang sein Bücherregal und dann wieder ihn an. »Aber natürlich! Ich wusste , dass ich Ihren Namen schon einmal gehört habe.«
»Was soll das heißen, meine Liebe?«, fragte McClure.
In Hyams’ Augen erschien etwas Neues, Eishartes, das Mogens innerlich erschauern ließ. »Das sollten Sie unseren neuen Kollegen besser selbst fragen«, sagte sie. »Gute Nacht, Professor VanAndt! «
Und damit ging sie. Mogens setzte dazu an, sie zurückzuhalten, sah aber im letzten Moment die Sinnlosigkeit dieses Vorhabens ein und ließ die Hand wieder sinken. Hyams stürmte aus dem Haus und ließ die Tür hinter sich offen stehen; wie Mogens vermutete, allerdings nur, weil sie ihr einfach zu schwer war, um sie hinter sich zuzuknallen.
Für einen Moment machte sich betretenes Schweigen in der Hütte breit, das McClure schließlich mit einem unbehaglichen Räuspern beendete. »Ja, wir sollten jetzt … auch gehen«, sagte er stockend. »Es war ein anstrengender Tag. Kommen Sie, Mercer. Ich bin sicher, auch Professor VanAndt ist froh, wenn er seine Ruhe hat.« Er wartete, bis Mercer – widerstrebend – aufgestanden war, dann zwang er sich, Mogens noch einmal direkt anzusehen. »Gute Nacht.«
Es war Mogens nicht möglich, McClure mit mehr als einem abgehackten Nicken zu antworten. Mercer und er gingen, aber es verstrich noch einmal mehr als eine halbe Minute, bis Mogens auch nur die Kraft fand, sich aus seiner Erstarrung zu lösen und ihnen nachzugehen, um die Tür hinter ihnen zu schließen. Das also war sein erstes wirkliches Gespräch mit seinen neuen Kollegen gewesen – um es auf einen einfachen Nenner zu bringen: eine Katastrophe.
Aber immerhin, dachte er, hatte die Sache wenigstens ein Gutes: Es konnte kaum noch schlimmer kommen.
Er sollte sich täuschen.
Graves war an diesem Abend nicht mehr gekommen. Mogens hatte mehrmals mit dem Gedanken gespielt, seinerseits zu ihm hinüberzugehen – schließlich waren es nur wenige Schritte bis zu der Blockhütte, die Graves bewohnte –, sich aber dann anders entschieden und
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