Anubis - Wächter im Totenreich
etwas fürchtete. Auch sein Forscherdrang war durch die Ereignisse schwächer geworden. Mein Hals war trocken. Ich hätte gern von dieser Totenbarke heruntergewollt. Sosehr ich mich auch anstrengte, ich schaffte es nicht. Die Barke hielt mich umklammert, weil die Magie des Totengottes Anubis auch einen Teil meines Willens gelöscht hatte. Kaum vorstellbar, aber eine Tatsache.
»Da ist das Grab!« James Barkley streckte seinen Arm aus, und ich folgte mit meinem Blick dem ausgestreckten Finger. Meine Augen wurden groß.
Eine Pyramide hatte ich nicht erwartet, auch kein normales Friedhofsgrab, wie wir es kannten, aber dieser Komplex, der sich aus der flachen Wüste erhob, glich in seinen Ausmaßen schon fast einem Bunker.
»Ist es das?« fragte ich den Professor. Er nickte. Die Totenbarke glitt weiter. Nicht einmal berührte sie den Grund, sondern fuhr dicht über ihn hinweg und nahm direkten Kurs auf den offenen Eingang des Grabes.
Er war ziemlich breit. Wir würden ohne Schwierigkeiten hindurchkommen, und ich sah hinter dem offenen Eingang die graue Dunkelheit, die dichter wurde, je tiefer wir in das Grab vorstießen. Ich sah die alten Wände. Sie waren bemalt, und all die Zeichnungen hatten sich noch erhalten.
Zu schnell ging alles. So kam ich nicht dazu, mir die außergewöhnlichen Malereien und Kostbarkeiten anzusehen, aber ich hörte hinter mir ein beunruhigendes Knirschen.
Ich wollte mich umdrehen, der Professor hinderte mich daran. »Das brauchen Sie nicht, Mr. Sinclair. Ich kann Ihnen auch so sagen, was geschieht. Die Tür schließt sich allmählich. Wir sind jetzt schon so gut wie lebendig begraben…«
***
Das Schlauchboot erwies sich in der Tat als ein Glücksgriff. Es war sehr schnell, was Suko überraschte.
Ghamal hatte ebenfalls im Heck des Bootes und neben Suko Platz genommen. In seinen Augen leuchtete das Feuer der Rache. Sein Messer, mit dem er eine Mumie getötet hatte, hielt er in der rechten Hand, wirbelte es hoch und fing es geschickt wieder auf. Der junge Mann übte. Manchmal drangen harte Laute über seine Lippen. Suko verstand ihn nie, er konnte sich vorstellen, daß es Racheschwüre waren.
»Du solltst dich nicht von deinem Gefühl allein leiten lassen«, bemerkte er.
»Weshalb nicht?«
»Man verliert zu sehr die Übersicht.«
»Und was machst du? Bist du nicht mit dem Herzen dabei, gelber Mann?«
»Und ob, mein Lieber.« Suko hob eine Hand. »Vergiß nie, daß sich mein bester Freund in den Klauen dieser Wesen befindet.«
»Ja, das weiß ich. Und ich sage dir, daß du feige bist.«
»Wieso?«
»Du hast keinen Versuch gemacht, den Freund zu retten.«
»Auf dem Schiff nicht.«
»Da siehst du es.«
»Es ist Unsinn, was du redest, Ghamal. Was hätte ich denn machen sollen?«
»Kämpfen!«
»Haben wir nicht so, wie wir es jetzt machen, die größeren Chancen? Denk mal nach.«
Ghamal war ein wenig irritiert. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Er wischte Spritzwasser aus seinem Gesicht und hob die Schultern. »Aber wir wissen nicht, ob wir sie überhaupt noch finden.«
»Das will ich schwer hoffen.«
»Wie?«
»Schon gut. Bete lieber, daß wir genug Sprit haben, sonst kannst du paddeln!«
»Was ist paddeln?«
Suko hob das Ersatzruder hoch und grinste Ghamal an. »Das hier, mein Junge.«
»Ach so.«
Sie mußten gegen die Strömung fahren. Einem Passagierschiff machte dies nichts aus, bei dem Schlauchboot war es schon etwas anderes. Es verlor an Geschwindigkeit, hatte zu kämpfen und verbrauchte aus diesem Grunde mehr Sprit.
Deshalb hielt sich Suko mehr auf der rechten Uferseite des Flusses, wo das Wasser flacher war.
Im Dunkeln wirkten die in den Strom hineinstoßenden Sandbänke wie lange schwarze Zungen, über die die Strömung das Wasser trieb. Zeit verging.
Andere Boote sahen sie so gut wie nicht. Nur einmal glaubten sie, einen langen Schatten in der Flußmitte zu erkennen. Der Schatten glitt aber stromabwärts.
Selbstverständlich hatte der Inspektor ständig Ausschau nach der Totenbarke gehalten.
Weder er noch Ghamal hatten das unheimliche Schiff entdecken können. Und auch der Kopf des Anubis war vom Himmel verschwunden. Alles schien sich gegen die Verfolger verschworen zu haben, und Sukos Hoffnung war längst nicht mehr so stark wie zu Beginn der Reise. Dann war ihnen das Glück hold. Sie entdeckten zwar die Totenbarke nicht, dafür einen Reservekanister mit Benzin. Und den brauchten sie auch, denn der Motor begann schon zu stottern, und das
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