Anubis - Wächter im Totenreich
Wattenmeer erinnerte.
Sehr bald wurde der Boden trocken und auch härter. Vor ihnen lag die Wüste. Eine weite, düstere Fläche. Eingehüllt in ein seltsames Dunkel. Es bestand aus mehreren Farben, die sich zu einem Blaugrau gemischt hatten. Im Osten sahen sie bereits einen Streifen am Himmel.
»Es wird gleich hell!« flüsterte der junge Mann. Er fror in der noch kühlen Luft.
»Könnten wir bis dahin das Grab erreicht haben?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du warst also auch noch nie da?«
»Nein. Aber das habe ich dir gesagt, gelber Mann. Ich kannte nur ungefähr die Lage…«
»Schon gut, Partner, reg dich ab! Wir werden es schon…« Suko stockte.
»Verflucht, was ist das?«
»Die Totenbarke!« hauchte Ghamal.
Beide schauten in Richtung Osten. Sie sahen ein dicht über dem Wüstenboden schwebendes oder schwimmendes Schiff, das in ein fahles Leuchten gehüllt war.
Sosehr Suko dieser Anblick auch überraschte, er durfte sich auf keinen Fall von ihm ablenken lassen. »Das ist der richtige Wegweiser«, sagte er zu seinem Begleiter und nickte.
Die beiden beeilten sich jetzt. Sie hatten Glück, daß es noch dunkel war, so konnten sie die helle Totenbarke genau im Blickfeld behalten. Sie war natürlich schneller als die beiden Menschen, denn sie brauchte keine Hindernisse zu überwinden und kam so leicht, sicher und auch gut voran. Es wurde heller.
Der Himmel stand urplötzlich in Flammen. Die gewaltige Kraft der afrikanischen Sonne vertrieb die Finsternis und Kälte der Nacht und riß den Himmel einfach auf.
»Phantastisch«, murmelte Ghamal. »Ich freue mich immer, wenn ich so etwas erlebe.«
»Denk lieber an die Barke«, sagte Suko.
Überrascht blieben die beiden Verfolger stehen.
»Hast du was gesehen?« fragte Ghamal.
»Nein.«
»Aber wo kann sie sein?«
»In einem Grab«, vermutete Suko.
»Hier gibt es keine Pharaonengräber.«
»Dafür die Mastabas.«
Überrascht schaute Ghamal den älteren Suko an. »Was du nicht alles weißt…«
»Ja, ich habe in der Schule aufgepaßt.«
»Ich habe die Schule schon nach wenigen Jahren verlassen.«
Suko hörte nicht mehr auf die Antwort. Er suchte den Platz, an dem die Totenbarke verschwunden war. Irgendwo mußte sie ja stecken, der Wüstenboden konnte sie schließlich nicht verschluckt haben, obwohl eigentlich alles möglich war. Auch an eine Entmaterialisierung dachte der Chinese, doch dieses Phänomen hätte in seinen Augen keinerlei Sinn gehabt. Die Totenbarke und auch die Personen, die sich auf ihr befanden, hatten noch einiges vor. So gingen sie weiter. Ghamal hielt sich an Sukos Seite. Rechts von ihm schritt er, leicht gebückt, witternd, an ein vorsichtiges Raubtier erinnernd. Die Wüste um sie herum schwieg. Die nächtlichen Laute der Tiere waren verstummt. Die Minuten zwischen Nacht und Tag gehörten der Stille und Einsamkeit.
Leer lag die Wüste im Zwielicht. Die Sonne stand jetzt höher. Einen Teil des Himmels hatte sie in Brand gesteckt. Man konnte zuschauen, so rasch trieb sie die Reste der Nacht wieder zurück. Suko zeigte sich fasziniert, doch er durfte sich von diesem Naturschauspiel nicht ablenken lassen, denn die Totenbarke und damit auch der Gegner Anubis waren wichtiger.
Es wurde heller. Besser und mehr konnten sie erkennen. Ihr Blick fiel in die Weite der Wüste, und es war Suko, der als erster die Erhebung entdeckte. Der Chinese blieb stehen, deutete nach vorn, schaute durch den vom Wind hochgewirbelten Staub-und Sandschleier, bevor er sagte: »Das muß es sein.«
»Was?«
»Das Grab!«
Ghamal warf Suko einen Blick zu, der alles enthielt, auch Ängstlichkeit. Jetzt, so dicht vor dem Ziel, hatte er doch einiges von seiner Courage verloren. Keine Rachespi Uche dran gen mehr über seine Lippen, er blieb zurückhaltend.
»Bist du sicher?« fragte er.
»Ja, es gibt für mich keine andere Möglichkeit. Die Barke muß dort verschwunden sein.«
Es wurde wärmer. Suko wunderte sich wieder einmal darüber, wie schnell es ging. Spuren entdeckten sie keine. Hier war die Wüste so, wie man sie sich vorstellte. Flach, sandig, ohne Felsen und Steine. Anders als in Tunesien, wo der Inspektor vor kurzem mit seinem Freund John Sinclair einen Fall erlebt hatte.
Das Grab stand in einer kleinen Mulde. Ob sie dort immer gewesen war, wußte Suko nicht. Der Professor hatte sie auch freischaufeln können, um das Grab zu entdecken.
Der Sand blendete, weil er von den langen Sonnenstrahlen betupft wurde. Bei jedem Schritt rann er wie Wasser in die
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