Anubis - Wächter im Totenreich
Reaktion. Normalerweise hätte ich es längst versucht, doch die seltsame Lethargie, die mich erfaßt hielt, hatte mich auch hier nicht verlassen. Noch immer stand ich unter diesem fremden Bann.
Schrecklich…
»Dann kann ich Ihnen nur einen angenehmen Tod wünschen«, sagte Barkley. »Wäre ich nur jünger, ich würde…« Seine weiteren Worte gingen in einem unverständlichen Murmeln unter.
Ich schritt auf den linken Schachteingang zu, während der Professor den rechten nahm. Meine Schritte waren langsam, nahezu gemächlich. Unter den Sohlen knirschten der Dreck und der Staub. Wie lange mochte er hier schon liegen? Direkt vor dem Schacht blieb ich stehen.
Ein wenig senkte ich den Kopf, und mein Blick fiel in die Tiefe. Vor und unter mir lauerte das Dunkel. Gefährlich, unheimlich und letztendlich tödlich. Ich wußte nicht, wie tief die Schächte waren, mußte jedoch damit rechnen, auch schon als Toter in der Grabkammer aufzukommen. Im Gang hatten die Fackeln gebrannt. In diesem Verlies leuchtete kein Licht. Nur ein schwacher Widerschein drang in den Raum, so daß er an einigen Stellen von einem blassen, zuckenden roten Glosen erfüllt war. Ich drehte meinen Kopf ein wenig zur Seite und starrte in das verbundene Gesicht der kleinen Mumie, die am Schachtrand wartete. Auch sie ließ mich nicht aus den Augen. Das Schwert hielt sie so, daß sie jeden Moment zustoßen konnte, und ich senkte den Blick, um wieder in den Schacht zu schauen.
Dort tat sich etwas.
Eine Gestalt hob sich in ihren Umrissen scharf aus der Finsternis ab. Entweder stand sie auf dem Grund, oder sie schwebte in der Luft. Genau konnte ich es nicht erkennen.
Aber ich erkannte die Gestalt.
Es war Bastet, die Katzen-Göttin!
***
Sie hatte mir ein Wiedersehen versprochen, und sie hielt dieses Versprechen ein.
Aus der Vergangenheit war sie gekommen, hatte Dimensionen durcheilt und war in dieses Grab getaucht. Golden schimmerte ihr Körper in der Dunkelheit. Es war der Körper einer Frau, aber mit dem Kopf einer Katze.
Seltsam blau sahen ihre schmalen Augen aus, und sie hatte einen Arm erhoben, wobei ihr Daumen genau auf mich wies.
Wir starrten uns an, und wir wußten, was wir uns schuldig waren. Sie wollte meinen Tod erleben, jetzt war sie gekommen, um dabei zuzuschauen.
Und schon hörte ich ihre Stimme, obwohl sie nicht normal klang, sondern in Gedanken zu mir sprach.
»In dem alten Haus habe ich es dir damals gesagt, daß wir uns bald wiedersehen würden, John Sinclair. Das ist nun geschehen. Ich mußte flüchten, weil Osiris es so wollte. Du bist entkommen, aber nun stehst du in einer Welt, der du nicht mehr entfliehen kannst. Ich warte auf dich, ich warte auf deine Seele, John Sinclair!«
Als ich diese Worte vernahm, zuckte es durch mein Gehirn wie ein elektrischer Schlag. Ich dachte an das Versprechen, das sie mir gegeben und das ich nicht so recht hatte glauben wollen. Jetzt war es eingetreten. Eigentlich spielte es keine Rolle, ob mich Bastet tötete oder ich in den Tiefen des Grabschachtes vermoderte.
»Du härtest dich damals auf meine Seite stellen und nur zu mir halten sollen. So aber sehe ich mich gezwungen, dich umzubringen. Ich werde dir nicht helfen!«
»Was hätte ich tun sollen?« fragte ich.
Der Professor hörte meine Frage und sagte: »Was haben Sie, Sinclair?«
»Nichts.«
»Zu spät, Geisterjäger, zu spät!« Bei dieser Antwort leuchteten ihre Augen noch stärker.
Ich wußte, daß mir nur noch Sekunden blieben. Jetzt mußte ich handeln - aber mir fehlte der Wille. Ich konnte mich nicht zu einer Aktion hinreißen lassen. Die Nähe dieser unheimlichen Wesen aus ferner Vergangenheit beeinflußte mein Denken, mein Handeln und auch mein Fühlen.
Jemand lachte hinter mir leise auf. Es war Per-nio. Seine Stimme verstand ich deutlich. »Er wird erwartet, der Geisterjäger«, sprach der Hohepriester. »Nicht nur ich will seinen Tod. Er hat mit zahlreichen Göttergestalten…«
Weshalb sprach er nicht mehr weiter?
Mitten im Satz hatte er gestockt, ich hörte ihn Worte sagen, die ich nicht verstand, weil sie in einer mir unbekannten Sprache gesprochen wurden. Dem Klang nach zu urteilen, nahm ich an, daß ihn irgend etwas gestört hatte. Nur was? In meinem Rücken vernahm ich Geräusche. An den schleifenden Schritten erkannte ich, daß es die Mumien waren, die sich aus diesem Verlies entfernten. Und ich glaubte auch, ein schwaches Knirschen zu vernehmen, als würde etwas zur Seite gedrückt.
Dieses Knirschen hatte ich
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