Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
mich für ihn.«
    »Tagebücher?« Seine Stimme wurde lauter. »Die müssen Sie mitbringen. Ich muss …« Er hielt inne, als versuchte er sich zu beruhigen. »… sie unbedingt sehen. Am besten sofort. Wo sind Sie denn im Moment?«
    Mit einem Mal war sie vorsichtig und log: »Ich hab sie aber nicht bei mir. Sie sind zu Hause. In den Staaten.«
    »Das ist schlecht für uns. Ihre Landsleute halten schon seine Zeichnungen unter Verschluss. Wir müssen diese Tagebücher unbedingt sehen.«
    »Ich kann sie Ihnen kopieren oder so. Wenn ich wieder zurück bin.«
    »Haben Sie was zu schreiben?«, fragte er ungeduldig. Sie sagte, sie hätte einen Stift zur Hand. »Also, dann schreiben Sie Folgendes auf.« Er nannte ihr eine Adresse in Camden und verlangte, dass sie sie wiederholte. »Richtig. Ich würde vorschlagen, dass Sie früh kommen, damit ich Sie einweisen und Ihnen ein paar Fragen über Ihre Großtante stellen kann. Sie sind dann praktisch unser Ehrengast.«
    »Oh, bitte, das möchte ich gar nicht. Ich weiß eigentlich gar nichts über ihn … «
    »Unsinn, Sie sind verwandt mit jemandem, der den großen Mann gekannt hat. Jemand, der in der Gegenwart dieses Genies gelebt hat. Wir sind hocherfreut, Sie hier begrüßen zu dürfen. Sie müssen unbedingt kommen. Wir können Ihnen auch die Auslagen erstatten.«
    »Nein, das ist nicht nötig. Danke. Ich bin dann kurz vor sieben bei Ihnen.«
    Harold bestand darauf, die Telefonnummer des Hotels zu notieren, und sie gab sie ihm, ohne es zu wollen, weil sie nicht schnell genug darüber nachdachte. Sie legte auf, lehnte sich zurück und spürte, wie der dünne Schweißfilm über ihren Augenbrauen trocknete. Ihr Drang, das Treffen zu besuchen, war mit einem Mal erlahmt. Sie hatte den Verdacht, dass alles, was mit Hessen zu tun hatte, irgendwie schauderhaft und unangenehm war. Sie ärgerte sich, Lillians Tagebücher erwähnt zu haben. Warum nur? Um ihn zu beeindrucken? Jetzt empfand sie das als sehr indiskret. Bestimmt würde das wieder auf sie zurückfallen.
    Das Telefon neben ihrem Bett klingelte. Aufgeregt griff sie zum Hörer. Es war Harold. »Entschuldigung. Ich habe versehentlich auf Wiederwahl gedrückt«, sagte er. »Wir sehen uns dann morgen.« Er legte auf, während sie noch darüber nachdachte, was sie sagen sollte.

20
    Und immer wieder und wieder ging er hinauf zu dem blutig schimmernden Ort, wo die vielen vergessenen Meisterwerke versteckt waren. Und er saugte die Dunkelheit in sich auf, ließ den Geist der Ewigkeit auf sich einwirken, der dort an den Wänden hing, und ergötzte sich an den grauenhaften Dingen, die aus dem wabernden Nichts hervortraten und sich an der Oberfläche krümmten und wanden. Jedes Mal, wenn er das Apartment betrat, waren es andere Dinge oder Teile von Dingen, die er sah.
    Während seiner letzten drei Besuche hatte Seth seine ganze Konzentration auf die Gemälde in den beiden hinteren Schlafzimmern gerichtet. Die Zimmer waren eigentlich zum Schlafen gedacht, waren nun aber von einer unbekannten Kraft in eine Galerie umgewandelt worden, vielleicht von jener eigenartigen Präsenz, die durch die Spiegel geisterte. Er betrat diese Zimmer, um etwas zu lernen. Um wie ein Kind in einen vergessenen Teich zu starren, der sich in einem wuchernden Garten befand. Um die schwarze Oberfläche anzustarren und sich an den dürren weißen Körpern zu ergötzen, die sich inmitten der Pflanzen unter der Oberfläche bewegten und gelegentlich aufblitzten in diesem Wasser, das so kalt war, dass schon das Eintauchen eines Fingers den Atem stocken ließ. Und der Finger ging dabei vielleicht verloren.
    Wenn er seine dienstlichen Pflichten erledigt und Mrs. Roth irgendwelche Lügengeschichten über die Geräusche in der leeren Wohnung unter ihr aufgetischt hatte – das Rumpeln, das Türenschlagen, das Herumschieben von Möbeln in der abgeschiedenen Dunkelheit von Nummer sechzehn – , erst wenn alle Hindernisse aus dem Weg geräumt waren, holte er leise den Schlüssel aus dem Safe im Büro des Chefportiers und betrat die Ausstellungsräume.
    Er war nach oben gegangen, hatte vorsichtig eine Stufe nach der anderen genommen, irgendwann zwischen drei und vier Uhr morgens, als alle anderen schliefen, den Piepser an den Gürtel geklemmt für den Fall, dass ein Hausbewohner ihn anrief oder jemand zu früher Stunde vom Flughafen kam und draußen klingelte. Das unbefugte Betreten des Apartments erregte ihn, und er war gleichermaßen verängstigt wegen dem, was auf ihn

Weitere Kostenlose Bücher