Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
wartete, wie erpicht darauf, es zu ergründen. Also schloss er die Tür hinter sich und schaltete erwartungsvoll das Licht ein.
Bei seinem zweiten Besuch, der inzwischen unglaublich lange her zu sein schien und an den er sich wie an einen vergangenen Albtraum erinnerte, hatte er bemerkt, dass etwas dort anwesend war. Etwas, das er nicht sehen konnte. Eine undeutliche, aber deutlich spürbare Präsenz, die ihn jedoch physisch nicht bedrohte. Aber sie war in erweitertem Sinn sehr wohl gefährlich, denn nach den Naturgesetzen durfte sie eigentlich nicht da sein. Sie manifestierte sich in dem rötlichen Licht als etwas Spürbares, das sich bewegte und das man hören konnte. Dennoch unsichtbar. Hinter den geschlossenen Türen des Spiegelzimmers, wo er gelegentlich ein Knarren von eilig hin und her rennenden Füßen hörte, die abrupt innehielten, wenn er sich der Türschwelle näherte.
Er hob sich den verspiegelten Raum in der Mitte bis zum Schluss auf. Rein instinktiv. Er hatte ganz kurz eine flüchtige Bewegung dort drinnen wahrgenommen, als er das erste Mal hineingeschaut hatte und war noch nicht so weit, sich dem zu stellen. Jetzt noch nicht. Er wollte die richtige Reihenfolge einhalten, und dieses Zimmer würde er erst ganz zum Schluss zu schätzen wissen. Wer weiß, vielleicht würde er ja, wenn er dort eintrat, eine Art von Bekanntschaft machen.
Sein Innerstes vibrierte vor freudiger Erregung schon allein bei dem Gedanken, etwas anzutreffen, das jenseits der menschlichen Erfahrungswelt lag. Aber vielleicht war das ja auch nur der alte Seth, der da wieder zum Vorschein kam, der Wankelmütige, der Zauderer, der Feigling, der unentschlossene und verachtenswerte Schwächling, dem es nicht gelungen war, seiner Berufung zu folgen, und der schon beim ersten kritischen Urteil aufgegeben hatte. Aber jetzt fing er an zu verstehen, dass die Ansichten der anderen keine Rolle spielten. Dass sie die Orte, an die er sich begeben musste, niemals verstehen würden, und schon gar nicht die Visionen, an denen er sich ergötzte. Es durfte keine Halbheiten mehr geben, keine Kompromisse. Nicht noch einmal. Nie mehr.
Der Junge mit der Kapuze hatte ihm das angekündigt. Hatte ihm erzählt, dass ihm geholfen würde und dass man ihm die Dinge so zeigen würde, wie sie wirklich waren. Er wusste es jetzt und erschrak, wenn er darüber nachdachte, wie gut er sich fühlte, obwohl er der ständigen, drängenden Manipulation einer Macht ausgeliefert war, die ihn umgab, die in ihn eindrang und ihn hierhergelockt hatte. Wo er ein Meisterwerk studieren sollte.
Hatte diese Macht etwa dafür gesorgt, dass er verprügelt worden war? Ihn unter die klauenartigen Füße dieser Schakale geworfen, damit er im kalten, nassen London getreten und malträtiert wurde, weil er in der Bar darüber nachgedacht hatte, wie er flüchten könnte? Der Junge mit der Kapuze strahlte auch so eine brutale Unschuld aus wie seine Angreifer, dieselbe Gleichgültigkeit allem gegenüber. Der Gedanke, diese wieselgesichtigen Kerle mit ihren Baseballkappen könnten Boten des Jungen mit der Kapuze sein, überforderte ihn vollkommen und war jenseits seiner Vorstellungskraft. Vielleicht aber, so versuchte er sich zu überzeugen, gehörten sie einfach nur zu jenen Motiven, die er unbedingt auf die Leinwand bringen musste. Zu dem, womit diese Stadt in Wahrheit erfüllt war, jenen kreischenden und sich windenden Dingen also, die auf den Bildern in Apartment sechzehn zu sehen waren. Die letzte Bestimmung von uns allen. Aber wenn die Prügel als Warnung gedacht waren, dann durfte er sich nicht wieder gehen lassen. Dann musste sein wahrer Wille triumphieren.
Es dauerte lange, bis seine Verletzungen halbwegs verheilt war. Einige Körperteile funktionierten immer noch nicht richtig. Er hinkte und durch seine linke Hand schossen immer wieder starke Schmerzen. Die Hornhaut seines rechten Auges war entzündet und hatte ein Blutgerinnsel, und er konnte immer noch nicht tief durchatmen.
Seth redete vor sich hin, während er die Porträts in den beiden hinteren Zimmern zum vierten Mal enthüllte, und kniff die Augen so lange zu, bis alle Tücher abgenommen waren und er vor den Bildern auf dem Fußboden saß, in den verkrampften Händen Skizzenblock und Bleistifte. Er murmelte laut vor sich hin, als würde ihm das helfen, bei klarem Bewusstsein zu bleiben und sich seiner selbst zu versichern, denn es war ganz leicht, den Verstand zu verlieren, angesichts dieser zerfallenden Dinge in Lumpen,
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