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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Freundin von uns, Alice. Eine Freundin. Erzähl ihr etwas über Felix.«
    Alice seufzte. »Er hatte so ein schönes Gesicht. Dass er es dann auf diese Weise verlieren musste … Wir fanden ihn alle so gut aussehend. Und er hat unglaublich hübsche Puppen gezeichnet. Nicht solche für Kinder, sondern Puppen in Schachteln. Die irgendwo drin eingeschlossen sind, verstehen Sie? Aber ihre Gesichter konnte man nie vergessen. Ich kann sie immer noch sehen.«
    »Es ist manchmal schwierig, ihr zu folgen, vor allem der zeitlichen Reihenfolge«, flüsterte Harold, und Apryl spürte den Pesthauch seines Atems unmittelbar auf ihrer rechten Wange. »Aber manchmal gibt sie ganz erstaunliche Dinge von sich. Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass sie Hessen gekannt hat. Sie war sein Modell. Eins von den wenigen, die er hatte.«
    Apryl musste husten, so unangenehm war ihr die Nähe von Harold und seinem stinkenden Atem. Sie versuchte, ein Stück wegzurücken, kam aber nicht weiter als bis zur Krempe von Alices Hut.
    »Und dann das Tanzen«, sagte Alice plötzlich mit geweiteten Augen. »Oh, das Tanzen und das Singen. Wissen Sie. Der wunderbarste Tanz. In seiner Wohnung. Rückwärtstanzen. Unter den Bildern, verstehen Sie? Ach, das waren noch Zeiten.« Alice beugte sich dicht an Apryls Ohr. »Aber das hörte alles auf, als sie ihn weggebracht haben. Sie waren so grausam zu ihm. Es war ganz schrecklich.«
    Apryl verzog das Gesicht, während Harold weiterhin stoßweise in ihr Gesicht atmete. Sie beugte sich tiefer zu Alice. »In seiner Wohnung? Wo haben Sie getanzt? Im Barrington House? Haben Sie dort die Puppen gesehen?«
    Aber Alice hörte gar nicht zu. »Nein, nein, nein. Alles Unsinn, hat er immer gesagt. Alles Unsinn. Es geht nicht um die Figuren, der Hintergrund ist das Wichtigste. Das, was dahinter ist und was man nicht sehen kann. Sehr schlau von ihm. Natürlich hatte er recht. Er versuchte, uns zu helfen, damit wir es auch sahen. Ich habe mich für ihn ausgezogen, meine Liebe. Aber schlaue Männer haben schlechte Manieren. Und am Ende waren sie alle gegen ihn. Er hat ihnen so viel gezeigt, aber sie haben es nicht zu schätzen gewusst. Sie hatten Angst vor ihm. Dabei musste man Felix einfach nur vertrauen. Er war ein Künstler. So jemandem muss man entgegenkommen. Sie haben seine Bilder doch gesehen. Niemand hatte vorher so etwas gesehen. Und dann erst die Wände, meine Liebe. Das gehörte alles zusammen, wissen Sie. Alles passte ineinander. Und dann der Hintergrund.«
    Ob es an Harolds stinkenden Ausdünstungen lag, an Alices unzusammenhängenden Gedanken, an dem schlechten Merlot, den sie zu schnell getrunken hatte, um sich zu beruhigen, oder der warmen stickigen Luft und dem Geruch von Räucherstäbchen und Verfall, jedenfalls wurde Apryl schwindelig. Sie musste sich aufrichten. »Harold, bitte, ich möchte gern aufstehen. Bitte, geht das? Vielen Dank, Alice«, sagte sie und musste dringend von Harold und dieser verwirrten Alten fort, deren Erinnerungen nahezu nutzlos waren.
    Harriets rundes Gesicht tauchte hinter Harold auf. »Der Vortrag wird gleich beginnen. Schnell.«
    Apryl stand in der letzten Reihe der Menschen, die sich im Wohnzimmer versammelt hatten, nicht weit von der Eingangstür entfernt, als Harold eine verschrumpelte Gestalt in einem schäbigen braunen Anzug vorstellte: Dr. Otto Herndl aus Leoben. Er war Autor einer Essay-Sammlung mit dem Titel »Versammelt auf der Rechten« und Herausgeber einer okkulten Zeitschrift, deren Titel sie nicht mitbekam, weil ein älterer Herr vor ihr einen Hustenanfall hatte.
    Otto Herndl begann seinen Vortrag mit einem Exkurs über jene Philosophen, die schon den jungen Felix Hessen beeinflusst hatten. »Vor allem Professor Zöllner, der die Existenz einer vierten Dimension vertrat und paranormale Erscheinungen seiner Zeit als Beweis dafür anführte.«
    Während er sich abmühte, seine Gedanken auf Englisch zu formulieren, wurde Apryl völlig von seiner kauzigen Erscheinung abgelenkt. Der Reißverschluss seiner Hose war kaputt. Seine schmuddelige Aktenmappe stand auf dem Boden neben einem löchrigen Schuh. Seine Haare waren im Nacken ausrasiert und scharf gescheitelt. Und er machte den Eindruck, als könnte er die Balance nicht halten und jeden Augenblick umfallen. Seine braunen, aufgeregt blitzenden Augen bewegten sich unruhig hinter den dicken runden Brillengläsern, und er fuchtelte mit ausgestreckten Armen hektisch umher. Es sah aus, als hingen seine Glieder an

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