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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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so traurig. Meiner Tante ging es genauso. Wegen ihm.«
    »Ja, ich bin sehr traurig, meine Liebe. Und Sie wären es an meiner Stelle auch. Aber Sie glauben mir, nicht wahr?«
    »Ja, das tue ich. Selbstverständlich. Vielleicht würde es Ihnen ja helfen, mit jemandem darüber zu sprechen. Ich glaube, Sie brauchen eine neue Freundin, Mrs. Roth.«
    Irgendwo in diesem Apartment war das rhythmische Ticken eines Uhrwerks zu hören, dessen trauriges Echo durch die leeren Zimmer hallte. Aber sie konnte die Uhr nicht sehen und sich diesem weit entfernten Klang auch nicht nähern. Es war kaum zu glauben, dass solche Wohnungen im Barrington House tatsächlich existierten. Wohnungen, in denen die Farbe von den Wänden abblätterte, die Tapete sich löste und sämtliche Zimmer völlig vernachlässigt wirkten.
    Während Imee, die zierliche philippinische Krankenschwester, sie durch den langen Flur führte, fühlte Apryl sich leicht benommen und stolperte in ihren hochhackigen Stiefeln über den abgetretenen Teppich. Der musste früher wohl einmal blau gewesen sein, jetzt war er fadenscheinig und grau.
    Neben der Garderobe und dem Telefontischchen ging eine kleine altertümliche Küche ab, in der ein antiker gekachelter Herd und ein nicht weniger alter Kühlschrank standen. Beide Geräte sahen aus, als wären sie Jahre nicht benutzt worden.
    Apryl warf einen Blick ins Wohnzimmer. Es war elegant eingerichtet, aber ziemlich unordentlich. Auf einem silbernen Servierwagen befanden sich Kristallkaraffen, ein Eiskübel mit einer Zange und daneben zahlreiche halb gefüllte Flaschen mit alkoholischen Getränken. Schwere alte Möbel standen wie mit Sorgen beladen traurig in den Ecken. Schwere Vorhänge mit goldenen Borten bannten das Tageslicht. Und unter der Decke hing ein riesiger Kristalllüster, direkt über einem Tisch aus Mahagoniholz.
    Ein schwacher Lichtschein lag über diesen luxuriösen, jetzt aber mit einem Staubfilm überzogenen Objekten. Sie wirkten wie vergessen inmitten dieser enttäuschend leeren Zimmer, in denen die Abwesenheit jener Gäste, die sich einst hier versammelt hatten, deutlich zu spüren war. Der Anblick stimmte Apryl traurig. Wie konnte inmitten dieses lärmenden Verkehrsstroms, der draußen vorbeirauschte, dem Durcheinander aus Autos und Fußgängern, jenseits der Sozialbauten, dem vom Wind verstreuten Müll, den Bettlern und der ganzen Intensität der Großstadt, die einen gleichzeitig erregte und betäubte, ein solcher Ort der Stille überhaupt existieren? Schäbig und vernachlässigt, aber gleichzeitig auch ungestört und rätselhaft in ihrer Ruhe, war diese Wohnung ein Relikt aus jener Zeit, als elegante Damen in langen Kleidern und Herren in Gehröcken zur Cocktailstunde zusammentrafen.
    Und an den Wänden hing nichts. Keine Bilder, kein Spiegel – nicht einmal eine Aquarellzeichnung. Nichts.
    Durch eine geöffnete Tür neben dem Badezimmer konnte Apryl in ein kleines Schlafzimmer sehen, in dem ein ungemachtes Bett stand. Das war das Zimmer der Krankenschwester, neben dem der Wohnungsbesitzerin. Vor deren Tür blieben sie nun stehen. Die Krankenschwester hielt inne, senkte den Blick und war offenbar zu müde, um sich ein ermutigendes Lächeln abzuringen. Hinter der altertümlichen Tür hörte man das Dröhnen des Fernsehers. Imee klopfte so laut an, dass Apryl zusammenzuckte.
    Eine grimmige, uralte Stimme rief etwas auf der anderen Seite, und sie betrat das große Schlafzimmer.
    Apryl vermutete, dass die runzelige Gestalt extra für ihren Besuch in eine passende Haltung gebracht und vorbereitet worden war. Die Frau war so klein wie ein Kind, ihre von Altersflecken übersäten Arme waren dünn wie Stöcke und lagen schwach auf der Decke, die Hände wirkten überdimensioniert, die Knöchel wulstig. Mrs. Roth saß aufrecht in ihrem Bett. Sie trug ein blaues Nachthemd aus Seide mit weißem Spitzenbesatz. Der feine Stoff verstärkte nur noch den trostlosen Anblick des gealterten Körpers, den er verhüllen sollte. Die peinlich genau arrangierte, auf groteske Art altmodische Frisur hatte einen Glanz, an dem man erkennen konnte, dass das Haar gerade erst gebürstet worden war. Die hochgesteckte, kegelförmige Frisur erinnerte an die Mütze eines Bischofs, war aber sehr dünn und durchsichtig. Der lippenlose Mund über dem gefurchten Kinn, der wie eine Hundeschnauze aussah, war rosa geschminkt. Kleine misstrauische Augen musterten Apryl, als sie eintrat.
    »Setzen Sie sich hier hin«, kommandierte die Stimme,

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