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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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»Ja, das sollte ich wohl. Vielleicht könnten Sie mir jemanden empfehlen. Gleich als ich hereinkam, habe ich die wunderbare Farbe ihres Haars bemerkt. Es glänzt so schön.« Apryl sah die sorgfältig arrangierten Strähnchen an und lächelte so überzeugend wie möglich.
    Mrs. Roth errötete. »Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee?«
    »Das wäre sehr nett.«
    Die alte Dame griff nach der Messingglocke, die auf ihrer Bettdecke lag, und läutete heftig. Und im gleichen Moment rief sie auch schon: »Oh, wo bleibt sie denn nur?«
    Sekunden später ging die Tür auf, und Imee trat ein, den Blick auf ihre weißen Turnschuhe gerichtet. »Wir wollen Tee, Imee. Tee! Mein Gast musste durch den Regen gehen, und du hast mal wieder vergessen, Tee zu machen.«
    »Tut mir leid, Mrs. Roth«, sagte die Pflegerin.
    »Wie oft muss ich das denn noch sagen. Und Kuchen. Bring uns Kuchen. Ich möchte den gelben und den rosa Kuchen.«
    Mrs. Roth warf Imee einen wütenden Blick zu, bis diese gegangen war, dann sagte sie: »Schauen Sie mal hier, meine Liebe. Das sind die Enkel meiner Tochter. Sie sind ja so hübsch. Gestern habe ich Clara zu Claridge’s zum Mittagessen mitgenommen. Und als der Kellner sie fragte, was sie denn haben möchte, sagte sie ›Fish and Chips‹. Sie ist wirklich ein Schatz. So ein hübsches Kind. Schauen Sie mal hier. Ich sagte hier.« Sie war verärgert, weil Apryl sich nicht schnell genug bewegt hatte, um ihren Wunsch zu erfüllen, und deutete ungeduldig auf die Kommode zu ihrer Rechten.
    Als Imee zurückkam und den Tee und den Kuchen auf einem silbernen Servierwagen hereinschob, blickte Apryl peinlich berührt zu Boden. Hilflos musste sie zuhören, wie Mrs. Roth die Pflegerin erniedrigte. Sie nannte sie sogar »dumme Gans«, weil sie den Tee nicht auf die Art hinstellte, wie sie es ihr »schon hundertmal« erklärt hatte. Imee antwortete darauf: »Ich bin eine Krankenschwester, keine Kellnerin.« Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, und rannte aus dem Zimmer.
    »Kuchen, meine Liebe. Nehmen Sie sich ein Stück von dem Kuchen. Ich mag den mit dem rosa Zuckerguss am liebsten. Meine Tochter hat ihn für mich gekauft.«
    Der Kuchen war billig und trocken, aber Apryl bemühte sich tapfer, ihn runterzuschlucken.
    »Sie sehen genauso aus wie Lilly«, sagte Mrs. Roth, während sie sich mit ihren geschwollenen Knöcheln Krümel aus den Mundwinkeln wischte.
    »Wirklich?«
    Sie nickte. »Als sie noch jung war. Sie war eine sehr schöne Frau. Wirklich zu schade, dass sie verrückt geworden ist.«
    Und dann, ganz plötzlich, bat Mrs. Roth Apryl den Fernseher einzuschalten und still zu sein, damit sie sich eine Quizsendung anschauen konnte. Aber schon bei der ersten Werbeunterbrechung war die alte Frau eingeschlafen, während der Fernsehapparat weiter dröhnte.
    Apryl saß einige Minuten lang ganz ruhig da und sah die schlafende Gestalt an, die durch die Nase unregelmäßige pfeifende Geräusche von sich gab. Dann rief sie dreimal: »Äh, Mrs. Roth, Mrs. Roth?«, aber es nützte nichts. Die alte Frau wurde nicht wach. Vielleicht war sie ja auch schon tot. Aber als Apryl dringend zur Toilette musste und aufstand, öffnete Mrs. Roth die Augen. Milchige Augäpfel rollten träge in ihren Höhlen, bis sie Apryl fixierten. »Wohin gehen Sie denn? Setzen Sie sich wieder hin!«
    »Ich wollte nur kurz ins Badezimmer.«
    »Oh.«
    »Sie sind eingeschlafen.«
    »Was?«
    »Sie sind eingeschlafen. Vielleicht ist das ja der falsche Zeitpunkt.«
    »Was? Unsinn! Ich schlafe doch nicht ein. Was denken Sie sich denn da aus.«
    »Nein? Dann habe ich mich wohl geirrt. Ich bin gleich wieder da.«
    Die Alte hob ihre Glocke und begann, wie wild damit zu läuten. Apryl und Imee trafen im Flur aufeinander und tauschten müde, nervöse, aber wissende Blicke aus. Blicke, die alle kennen, die von engstirnigen und mächtigen Personen gegängelt werden.
    Als sie von der Toilette zurückkam, überlegte sie, wie sie das Gespräch möglichst taktvoll wieder auf Felix Hessen bringen könnte, aber Mrs. Roth kam ihr zuvor. Anscheinend war sie jetzt bereit, über ihn zu sprechen, ohne dazu gedrängt zu werden. Sie schien zunächst die Ausdauer ihrer Besucherin getestet zu haben, um sie jetzt mit einer Enthüllung zu belohnen. Dieses Spielchen musste offenbar sein, weil sie ihr Wissen nicht einfach preisgeben konnte, ohne ihre Gesprächspartnerin vorher schikaniert zu haben. Glücklicherweise war der Fernsehapparat jetzt leiser gestellt.
    »Sie

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