Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Terror der Mobiltelefone, während sie erneut den Blick über das Hausbuch gleiten ließ, um die Nummer der Shafers ausfindig zu machen. Da war sie ja: Apartment Nummer zwölf, und eine Telefonnummer stand auch daneben. Sie merkte sie sich, und tippte sie dann in ihr Handy ein, das sie diesmal unter dem Tresenrand verborgen hielt.
»Jetzt ist kein guter Zeitpunkt, mit Mrs. Roth oder den Shafers zu sprechen«, sagte Piotr zuvorkommend und breitete die Arme aus. »Aber ich Ihnen sagen, dass Sie über Tante Lillian sprechen wollen, gut? Am Morgen sie möchten nicht gern gestört werden. Ab wir können uns treffen, und Sie erzählen mir Ihre interessante Geschichte von der Großtante? Dann kann ich den Leuten sagen: He, ich kenne diese nette junge Dame, die in unser schönes Haus gekommen ist. Sie ist eine Verwandte von Lillian. Und dann werden sie bestimmt nicht sagen Nein, oder?«
»Bestimmt nicht«, sagte sie mit etwas zu scharfem Unterton. Aber dann riss sie sich zusammen und erklärte: »Ich hab leider keine Zeit. Ich hab viel damit zu tun, die Wohnung zu entrümpeln, und muss … heute Abend Freunde treffen. Aber ich kann mich ja ein andermal mit den Leuten unterhalten.«
Vielleicht gefiel es den Shafers und Mrs. Roth ja überhaupt nicht, wenn sie anrief. Sie hatten sich schon einmal geweigert, sie zu sprechen. Es war ein Schuss ins Blaue, aber sie musste es tun, wenn sie herausfinden wollte, inwieweit die Eintragungen in Lillians Tagebuch ernst zu nehmen waren. Miles hatte das gestern Abend, als sie in einer Bar in Notting Hill gesessen hatten, auch gesagt, nachdem er einige Seiten von Lillians Aufzeichnungen gelesen hatte. Er war ganz erpicht darauf, jemanden ausfindig zu machen, der Hessens Gemälde kurz vor dessen Verschwinden gesehen hatte. Für einen Kunsthistoriker wären derartige Informationen eine echte Sensation.
Apryl wurde von Piotr bis zur Tür gebracht, die von der Eingangshalle in den Ostflügel führte. Er blieb dicht neben ihr, und sie spürte seinen Atem unangenehm im Gesicht und am Hals. Sein ungelenkes Gerede wollte nicht aufhören, bis sie in den düsteren Aufzug geflüchtet war, die Glastür sich geschlossen hatte und sie sein Gesicht draußen hinter der gewölbten Scheibe sah. Er hielt eine Hand ans Ohr, um ihr zu signalisieren, dass sie telefonieren sollten, und grinste dabei so breit, dass sein gesamtes Gebiss zu sehen war.
Sie wandte sich ab und tat, als würde sie seine Zeichen nicht bemerken. Aber dann nahm sie noch etwas im Augenwinkel wahr. Im Spiegel an der Rückseite der Kabine. Etwas, das sich ganz flink hinter ihrer Schulter bewegte. Etwas langes, dünnes Weißes, das schnell aus ihrem Blickfeld verschwand.
Sie hielt die Luft an und wirbelte herum. Die Kabine war leer. Es war niemand außer ihr da. »Mein Gott«, sagte sie und atmete aus. Dann sah sie auf die Stockwerkanzeige. Der Aufzug kam ziemlich langsam voran. Sechs, sieben … na, komm schon … acht … neun. Und wieso ließ die Tür sich jetzt nicht öffnen? So lange hatte es doch noch nie gedauert, oder?
Mit einem schleifenden Geräusch ging die Tür schließlich auf, und sie sprang aus der Kabine, blickte über die Schulter zurück und sah nur ihr eigenes Gesicht im Spiegel, blass und ängstlich. Ein Gesicht mit einem Ausdruck, den sie bislang nur in den Spiegeln des Barrington House wahrgenommen hatte.
»Wer ist da? Was wollen Sie?« Die Stimme klang ungefähr so freundlich wie das Geräusch einer Vase, die auf einen Steinfußboden krachte.
Apryl räusperte sich, aber ihre Stimme war so dünn und schwach, dass sie ihr kaum wie ihre eigene vorkam. »Ich bin … äh, mein Name ist … «
»Sprechen Sie bitte lauter! Ich kann Sie nicht verstehen.« Die Stimme von Mrs. Roth klang sehr verärgert. Ältlich und kratzig, viel zu brüchig, um warmherzig zu wirken. Am liebsten hätte Apryl sofort aufgelegt.
»Mrs. Roth.« Sie hob die Stimme, konnte aber ein Zittern nicht unterdrücken. »Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, dass ich Sie störe … «
»Natürlich bin ich das. Wer sind Sie überhaupt?« Im Hintergrund war die Musik einer Fernsehsendung zu hören.
»Mein Name ist Apryl Beckford und ich … «
»Was haben Sie gesagt?«, rief die alte Frau und fügte hinzu: »Ich weiß nicht, wer das ist.« Offenbar an jemanden gewandt, der mit ihr im Zimmer war. »Nein, fass es nicht an! Lass es! Lass es!«, schrie sie die andere Person an.
»Der Fernseher. Vielleicht sollten Sie den Fernsehapparat leiser machen«,
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