Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Polizei. Er verlor schon wieder die Kontrolle, nur wegen dieser dummen hysterischen alten Schlampe. Sein Unbehagen und seine Angst wurden von Wut abgelöst. Wut war genau das Richtige. Wenn man wütend war, konnte man eine solche Situation bewältigen. »Schon gut, schon gut«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. Er streckte die Hand aus und griff nach dem kalten Messinggriff. Aber genau in dem Augenblick, als er den Griff drehen wollte, wurde er ihm aus der Hand gerissen. Die Tür wurde von innen mit brutaler Kraft aufgezogen, und sie stießen beide einen lauten Schrei aus.
Seth saß hinter seinem Pult. Er starrte durch die gläsernen Eingangstüren in die blauschwarze Dämmerung dahinter. Schauer jagten durch seinen Körper, begannen irgendwo in der Mitte und breiteten sich dann überallhin aus. Die Deckenlampen über ihm knisterten vor Hitze. Irgendwo draußen wurde ein PS -starkes Auto beschleunigt.
Er hätte gern einen klaren Kopf gehabt, konnte aber noch nicht einmal dem Geschehen auf dem Fernsehschirm unterhalb des Pults folgen. Für ihn war es nur ein sinnloses Puzzle aus nicht zusammengehörenden flackernden Teilchen und Farben und weit entfernten Stimmen. Die Bilderflut in seinem Kopf war viel überwältigender. Und sie weigerte sich aufzuhören oder anzuhalten. Seine Gedanken stürmten wild durcheinander und versuchten, die Ereignisse, die oben über ihn hereingebrochen waren, in eine nachvollziehbare Ordnung zu bringen.
Er erinnerte sich, dass er instinktiv zurückgeprallt war, weg von der Dunkelheit und Leere des rechteckigen Raums, der sich hinter der mittleren Tür aufgetan hatte. Als die Tür ihm von einer dort lauernden unwiderstehlichen Gewalt aus der Hand gerissen wurde, schien der Raum dahinter keine materielle Existenz mehr zu haben.
Und dann sah er, wie Mrs. Roth fiel. Langsam, zur Seite. Auf die marmornen Fliesen unter seinen Füßen. Sie stürzte lautlos. Sie schrie nicht nach Hilfe. Streckte auch nicht die Hände aus, um sich abzustützen. Knallte ganz einfach mit einem klatschenden Geräusch auf die Fliesen und blieb ruhig liegen, das Gesicht zur Tür gerichtet. Sie sah benommen aus. Ihre Lippen bewegten sich tonlos.
Seth hatte einen Blick in das Zimmer geworfen. Ein wenig von dem dämmrigen rötlichen Licht aus dem Flur war durch die Türöffnung hineingedrungen und hatte den Schimmer eines weit entfernten Spiegels und die Andeutung eines länglichen, schattigen Rechtecks auf der gegenüberliegenden Wand beleuchtet. Es sah aus, als hätte sich dort, wo zuvor noch ein dunkler leerer Raum gewesen war, ganz plötzlich ein fester, greifbarer Stoff materialisiert. Und einen ganz kurzen Moment lang war er sich sicher, dass er etwas über die Türschwelle huschen sah. Von rechts nach links, etwas Gebücktes. Ganz verschwommen und von einem leisen Rascheln begleitet, das noch leiser war als das Säuseln des Windes.
»Schnell, Seth, schnell. Wir ham ’ne Abmachung. Ich hab’s dir ja gesagt. Also beeil dich. Schubs sie rein! Du hast nich’ viel Zeit«, sagte der Junge mit der Kapuze hinter ihm.
Auch Mrs. Roth hatte etwas gesehen. Ihre Augen quollen aus dem Gesicht, das zu einer aschfahlen Totenmaske geworden war. Sie sahen aus, als könnte jede Sekunde die Hornhaut aufplatzen, und starrten ohne zu blinzeln starr durch die geöffnete Tür. Ein langer Speichelfaden hing aus ihrem Mundwinkel und tropfte auf den Boden. Sie fing leise an zu stöhnen wie ein Tier. Ein verängstigtes, verwundetes Tier, das aus zerstörten Lungen verzweifelt nach Atem ringt und gleichzeitig versucht, seinen Angreifer anzuknurren.
Seth ekelte sich vor ihr. Er war abgestoßen von ihrer völligen Unfähigkeit. Er wollte fort von dieser kaputten Gestalt, die vor ihm auf dem Boden lag.
Sie hatte nicht auf ihn gehört. Überhaupt nicht. Das hier geschah ihr recht. Diese dumme Alte hätte nicht hier reingehen dürfen. Er hatte ihr das doch gesagt.
»Seth, Seth«, drängte der Junge mit seiner zischelnden Stimme. »Tu’s, tu’s. Schieb sie rein. Schaff sie dir vom Hals. Du musst dich beeilen. Das bleibt nicht lang auf. Und sie is’ schlimm verletzt. Du kriegst bloß Ärger. Die sagen, du bist schuld. Tu’s. Tu’s jetzt.«
Und das überzeugte ihn. Er kniete sich neben die alte Frau und packte ihre schmalen, eckigen Schultern. Er handelte mit der instinktiven Gewissheit, dass er dieses Problem für immer los sein würde, wenn er sie erst mal in das Zimmer
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