Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
würden.
Aber das passierte nicht. Und ehe dieser Lärm ganz plötzlich aufhörte, vernahm er noch ein Geräusch, das wie Hufe klang, die über den Holzfußboden auf die Stelle zugaloppierten, wo er Mrs. Roth liegen gelassen hatte.
Die nachfolgende Stille war noch schwerer zu ertragen als der Lärm, der jedes Gefühl aus seinen Gliedmaßen gesaugt hatte. Weil es keine ruhige Stille war. Im Gegenteil, sie war geladen mit Erwartung. Und als diese Stille anhielt, fragte Seth sich, was sich auf der anderen Seite der Tür wohl Grausiges ereignete und wie es endete.
Der Junge mit der Kapuze war schon weiter den Flur entlanggegangen, hatte den Ort verlassen, an dem er eben noch entscheidende Anweisungen gegeben hatte. Er stand nun neben Seth, der sich krümmte, weil in seine Kehle ein Schwall verpesteter Luft wie von verbranntem Schwarzpulver oder versengtem Karton eingedrungen war.
»Hast du gut gemacht, Seth.« Der Junge kicherte, und die Kapuze wackelte hin und her, weil sich darin etwas heftig bewegte, das Seth zu seiner großen Erleichterung nicht sehen konnte. »Die Alte hat’s nicht anders verdient. Dreckige Schlampe. Er wird mit uns zufrieden sein, Kumpel. Er will sie schon so lang haben. Und jetz’ geh rein da und mach sauber. Du bist noch nich’ fertig.«
Er musste noch einmal ins Zimmer. Und sauber machen. Ein grauenhaftes Zittern durchlief seinen Körper. Er biss sich auf die Unterlippe, um das heftige Schluchzen zu unterdrücken, das ihn von Kopf bis Fuß erfasste.
»Komm schon, Seth. Du musst dich beeilen, sonst kriegen sie dich, Kumpel.«
Seth horchte an der Tür zum Spiegelzimmer. Er strengte sich an, um noch das kleinste Zeichen von Aktivität hinter der schweren Holztür wahrzunehmen. Wenn er irgendetwas gehört hätte, wäre er garantiert weggerannt und hätte nicht angehalten, bis das Gebäude weit hinter ihm lag. Aber es war nichts zu hören. Das allmähliche Abklingen des Schocks und der Angst brachten ihn dazu, wieder an Mrs. Roth zu denken. An die alte Frau, die dort auf dem Boden lag, mitten in einer Wohnung, die er niemals hätte betreten dürfen. Eine Frau, die sich womöglich schwer verletzt hatte. Wenn ihr nicht noch Schlimmeres zugestoßen war. Er öffnete die Tür.
Und sah sie dort auf dem Boden liegen, zusammengekrümmt, in der gleichen Position, wie er sie verlassen hatte, auf der Seite liegend, mit dem Gesicht zum Spiegel. Im Spiegel konnte er ihr Gesicht sehen, es war zu einer Maske äußersten Schreckens verzerrt. Der Anblick allein ließ ihn erneut die Schreie hören. Und über dem Spiegelbild des reglosen Häufchens unter dem Nachthemd und der dünnen gebrechlichen Gliedmaßen bemerkte er ein unruhiges Flackern.
Tief im Spiegel innerhalb des rechteckigen silbrigen Tunnels, der durch einen zweiten identischen Spiegel auf der anderen Seite hervorgerufen wurde, bewegte sich etwas hastig hin und her, flüchtig wie Bilder, die aus einem Filmprojektor drängen. Aber was auch immer das war, es war schon wieder verschwunden, kaum dass er zwei Schritte in das Zimmer gemacht hatte. Sogar nach allem, was er an diesem Ort gehört, gesehen und ertragen hatte, erfüllte ihn noch immer eine tiefe Angst beim Anblick der Andeutung einer länglichen und blässlichen Gestalt mit einem rötlichen Flecken an der Stelle, wo der Kopf sein sollte. Ein Wesen, das sich innerhalb des Spiegelbilds wegbewegte. Und es zerrte einen blassblauen Haufen fort, aus dem Zimmer hinaus, hinab in die Tiefe, aus was auch immer sie bestehen mochte.
Seth sah sich eingehend um, studierte die acht unverhüllten Gemälde, die jeweils links und rechts der vier genau in der Mitte der Wände angebrachten Spiegel hingen. Augenblicklich schien in ihm alles wie erstarrt, als würde jede Bewegung und jede Lebendigkeit durch den bloßen Anblick der Bilder angehalten.
Jedes Bild zeigte das gleiche Gesicht, aber in verschiedenen Stadien des Verfalls inmitten eines schrecklichen, aufwärtsströmenden Lufthauchs, der sich so schnell fortbewegte, dass er mit der Effizienz eines Schweißbrenners das Fleisch von den Knochen riss. Es sah aus, als wäre der Kopf in einem ganz kurzen Augenblick völlig zerstört worden. Die acht Porträts zeigten die Phasen, in der der Kopf erst auseinander und dann nach oben gerissen wurde, während der Körper auf einem Stuhl sitzen blieb. Er konnte die Einzelteile des zerfetzten Gesichts erkennen. Es war das von Mrs. Roth.
Er schloss die Augen und schüttelte sich. Rieb sich das Gesicht.
Nicht
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