Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
nach oben schauen.
Er kniete sich neben den kalten Körper der alten Frau. Er stieß sie an und flüsterte ihr etwas zu, aber die steife Gestalt, die noch immer von dem blauen Hausmantel umhüllt wurde, gab keine Antwort. Ihr Augen standen offen, doch Seth wollte sie lieber nicht ansehen, weder im Spiegel noch direkt in dem Gesicht, das zu einem Schrei des Entsetzens verzerrt war, der kaum Zeit gehabt hatte, durch den lippenlosen Mund nach draußen zu dringen.
Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden hob er das Bündel Knochen an, von dem der Kopf lose herabhing, und eilte aus der Wohnung, die Treppe hinauf zur Nummer achtzehn und dann durch den Wohnungsflur ins Schlafzimmer. Dort legte er den Körper auf den Boden, als wäre er aus dem Bett gefallen und mit dem Kopf zuerst auf den Boden geprallt. Nicht mal Imee wachte auf, so leise bewegte er sich. Vielleicht hörte Mrs. Roths Sklavin ja nur auf das herrische Läuten der Glocke.
Seth trat zurück und betrachtete sein Werk. Er war zufrieden mit dem Arrangement. Ein Bein der zerbrechlichen Alten hing noch in der Bettdecke verheddert. Er wandte sich ab und verließ eilig die Wohnung, zog die Tür hinter sich zu und ging wieder nach unten zu Apartment Nummer sechzehn, um seine Spuren zu verwischen und die Gemälde im Spiegelzimmer wieder zu verhängen. Als er sich den grauenhaften Gesichtern auf den Bildern näherte, schloss er die Augen, bemerkte aber dennoch, dass die Farbe noch feucht glänzte.
25
»Sie haben ihn umgebracht, Miles. Sie haben ihn ermordet.«
Miles, der sich gerade das Jackett auszog, hielt in der Bewegung inne. »Wer? Wovon sprichst du überhaupt?«
Apryl war völlig aufgeregt, und was sie sagte, ergab überhaupt keinen Sinn. Das wusste sie auch, aber in dem Moment, als Miles ihr Hotelzimmer betrat, konnte sie sich einfach nicht beherrschen. »Mein Großonkel Reginald, Mrs. Roths Ehemann und Tom Shafer. Die Männer aus dem Barrington House. Sie haben ihn getötet. Sie sind zu ihm gegangen, um ihn zur Rede zu stellen. Wegen der Träume. Und der Schatten. Sie dachten, er würde sie heimsuchen oder terrorisieren. Genau wie meine Großtante es in ihren Tagebüchern schrieb. Alles hatte sich verändert, seit er eingezogen war. Dann hatte er eine Art Unfall. Und dann wurde alles nur noch schlimmer. Verstehst du nicht, dass das alles zusammenpasst?«
»Nein. Wovon zum Teufel redest du überhaupt?«
»Die Bewohner des Hauses haben ihn umgebracht. Sie haben die Bilder gesehen. Die in seinem Apartment hingen. Wahrscheinlich haben sie sie zerstört. Verbrannt. Und ihn haben sie getötet. Er ist nicht einfach verschwunden. Sie haben ihn ermordet.«
»Liebling, bitte, setz dich erst mal hin. Komm her, bitte. Beruhige dich. Ich verstehe kein Wort. Das klingt alles völlig absurd. Du redest zusammenhangloses Zeug.«
Aber Apryl lief weiter auf und ab. »Sie hatte es nicht vor, aber sie hat es gestanden. Ein Teil von ihr drängte sie dazu, sich dazu zu bekennen. Sie ist schon sehr alt, Miles. Aber sie ist nicht senil. O nein. Ihr Verstand ist messerscharf. Sie weiß ganz genau, was sie getan hat. Sie will alles unter Kontrolle haben. Aber sie kann ihr Unterbewusstsein nicht kontrollieren. Nein. Und deshalb geht es ihr auch so schlecht. Sie hat Schuldgefühle. Und sie will ihre Schuld jemandem gestehen. Egal, wem. Ich habe sie in einem günstigen Augenblick erwischt. Immer wenn sie aufwacht, ist sie sehr verletzlich. Dann ist sie schwach und beeinflussbar – du weißt ja, wie das ist – , und dann muss sie es einfach loswerden.
Sie ist total verwöhnt, sie benimmt sich wie ein Kind. Aber sie hat nicht mehr viel Zeit. Und das weiß sie auch. Die ganze Geschichte brandet in ihr hoch. Sie hat etwas ganz Schlimmes getan. Vor langer Zeit. Und Lillian auch. Sie alle haben es getan, und sie haben darüber geschwiegen. Aber nun drängt es aus ihrem Unterbewusstsein, und sie ist davon überzeugt, dass Felix Hessen zurückgekommen ist. Um Rache zu nehmen oder so, ich weiß nicht genau. Sie behauptet, sie hätte ihn in seiner Wohnung gehört. Dass er wieder unter ihr herumrumort. So wie früher. Sie wohnt ja direkt über seinem Apartment. Und die Treppenhäuser sind wieder voller Schatten. So wie früher. Die Schatten, die er vor Jahren mitgebracht hat. Sie hört die Stimmen wieder und sieht merkwürdige Dinge und all das. Genau wie Lillian. Als wäre es eine ansteckende Krankheit. Es ist wirklich unheimlich dort oben. Ich meine, lieber Himmel, ich … ich dachte auch
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