Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
schon, ich hätte da etwas gesehen. Wieder. Aber es ist, als ob … es ist ihr Unterbewusstsein. Das ist alles unglaublich gruselig, aber es erklärt alles. Was mit Hessen passiert ist. Und mit den Gemälden.«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«
»Nein, hör doch zu. Hör mir mal zu.« Apryl setzte sich neben ihn und umklammerte seinen Unterarm.
»Aber … «
»Hör einfach zu. Bitte. Tu mir den Gefallen, Miles. Hör mir einfach zu.«
Nachdem Apryl ihm etwas ruhiger von ihrem Besuch bei Mrs. Roth und dem, was sie, der alten Dame entringen konnte, berichtet hatte, lehnte Miles sich zurück und stützte sich auf seinen Ellbogen. Er sah sie ausdruckslos an.
»Verstehst du jetzt?«, fragte sie und ihre Augen und ihre Hände bewegten sich vor lauter Aufregung noch immer hektisch hin und her.
»Mein Gott, was für eine schreckliche Geschichte.«
»Ja, das ist die Geschichte von Hessens Verschwinden, und es ist der Beweis dafür, dass er weitergemalt hat.«
»Vielleicht. Und das bedeutet erst mal nur vielleicht.«
»Ach, Miles!«
»Bleib doch mal ruhig, Liebling. Bleib auf dem Teppich. Ich möchte gern selbst mit dieser Mrs. Roth sprechen, bevor ich mir ein Urteil erlaube.«
»Sie wird dich nicht sprechen wollen. Da bin ich ganz sicher. Auch mich nicht. Das weiß ich jetzt schon.«
Miles blickte sie erstaunt an. »Aber was soll man denn davon halten? Dieses ganze Gerede von den Schatten. Und die lauten Stimmen in seiner Wohnung. Das ist verdammt abseitig, wenn du mich fragst. Und es ist genau das, was Lillian geschrieben hat.«
Apryl lächelte. Sie war so aufgeregt, dass sie am liebsten laut aufgeschrien hätte. »Ja, genau! Hast du die Tagebücher gelesen? Sag, dass du es getan hast.«
Er runzelte die Stirn. »Hab ich. Den letzten lesbaren Band habe ich heute Nachmittag auf der Arbeit beendet. Ich habe sogar manche Hefte zweimal gelesen. Aber Liebling, Mrs. Roth ist wahrscheinlich verrückt. Genau wie diese Alice, die du bei den Freunden von Felix Hessen kennengelernt hast, die behauptet, sie hätte ihn gekannt. Und deine Großtante … «
»Lillian war nicht so wie Alice.« Apryl hielt inne und hob die Hände vors Gesicht. »O Gott, Alice. Alice hat das Gleiche gesagt. Wegen des Unfalls. Sie sagte, Hessen hätte einen Unfall gehabt. Sie muss ihn gekannt haben. Sie müssen ihn beide nach dem Krieg getroffen haben. Ich vermute, er hat sich selbst verstümmelt.«
»Nun mach aber mal langsam.«
»Warum denn nicht? Du bist doch der Experte, oder nicht? Hat Van Gogh sich nicht ein Ohr abgeschnitten? Hessen war ganz allein dort und quälte sich mit seinen Visionen herum. Er arbeitete wie besessen. Er ist langsam durchgedreht. Sein Verstand, der sowieso nie wie der eines gewöhnlichen Menschen funktionierte, ist abgedriftet. Das hast du doch selbst gesagt. Es passt alles zusammen. Wie er mit sich selbst gesprochen hat. Laut gerufen. Wie er diese Rituale durchgeführt hat, wegen denen er Ärger bekam und seine Wohnungen verlassen musste. Bestimmt hat er in diesem Apartment endgültig den Verstand verloren … und sein Gesicht verstümmelt. Sein eigenes schönes Gesicht.«
»Apryl. Wir sollten uns nicht in Spekulationen verlieren. Bitte. Lass uns das alles auf die nackten Tatsachen reduzieren. Du hast doch gar keine Beweise. Nur ein paar halbverrückte alte Frauen, die dir Geschichten erzählt haben. Also mal im Ernst, eben hast du mir gesagt, die Bewohner des Barrington House hätten sich zu einer Mordverschwörung à la Agatha Christie zusammengetan. Mrs. Roth steht im Esszimmer und hält den Kerzenständer in der Hand … wie bei Cluedo … «
»Wenn du dich über mich lustig machen willst, Miles, dann kannst du gleich gehen.«
»He.«
»Ich meine es ernst. Ich bin den Spuren nachgegangen, die meine Großtante hinterlassen hat. Und die haben mich zu diesen Schlussfolgerungen geführt. Felix Hessen wurde in seiner eigenen Wohnung umgebracht. Wer weiß, warum. Wer weiß, was er den anderen angetan hat. Sie sagte, es hätten auch viele Juden in diesem Haus gewohnt. Und die haben bestimmt gewusst, dass er mit den Faschisten sympathisierte. Mrs. Roth ist ebenfalls Jüdin. Jedenfalls gehe ich wegen ihres Namens mal davon aus. Das sind doch wirklich genug Motive.«
»Na ja, sicher, das wäre eins, aber es ist recht dünn. Oswald und Diana Mosley hatten jüdische Freunde vor und nach dem Krieg. Die haben sie auch nicht ausgemerzt. In der Oberschicht gelten andere Regeln. Die vergeben sich eher mal
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