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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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ihre Fehltritte. Aber … « Apryl sah ihn unzufrieden an und signalisierte, dass sie seine Zweifel keinesfalls gelten lassen wollte. »… wenn du wirklich glaubst, dass er ermordet wurde, dann wäre das ein Fall für die Polizei.«
    Sie nickte. »Aber vorher muss ich mehr wissen. Noch mehr herausfinden.«
    »Und wie?«
    »Ich muss noch mal hingehen und mit den Shafers sprechen. Um meine Informationen zu bestätigen. Sie leben ja noch. Ich würde sie sogar auf der Straße ansprechen, wenn es sein muss. Ich weiß immer noch nicht, wie Reginald gestorben ist. Ich hatte noch keine Gelegenheit, danach zu fragen. Aber ich weiß, ich weiß es einfach, dass es mit dieser ganzen Sache zu tun hat.« Sie drehte sich um und sah Miles an. »Ich will die ganze Geschichte erfahren. Schon allein wegen Lillian.«

26
    Seth blickte in den schmutzigen Spiegel auf dem Kaminsims und erkannte seine eigenen Augen kaum wieder. Sie waren verängstigt und blutunterlaufen vom Schlafmangel und wegen der überwältigenden Dinge, die er gesehen hatte. Er schaute weg. In seinem Kopf stürzten angstvolle Gedanken durcheinander.
    Er rang nach Atem. Sein Herz schlug zu schnell, und kalter Schweiß strömte aus seinen Poren. Er konnte nicht stillsitzen und lief unruhig in seinem Zimmer auf und ab, starrte abwechselnd an die Wände und aus den Fenstern. Er fühlte sich krank.
    Was hatte er bloß getan?
    Zitternd stand er vor dem glühend heißen Heizkörper und drehte sich eine weitere Zigarette. Die sechste in genauso vielen Minuten. Er rauchte sie halb auf, drückte sie auf der Untertasse aus, die schon von hundert anderen Kippen und einer dicken Ascheschicht überquoll. Schon bei ihrem Anblick wurde ihm schlecht.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal etwas gegessen hatte. Seit Tagen schon lebte er von nichts anderem als Tee und Zigaretten. Zu viel Tabak, Teein und schlechte Luft. Er wusste auch nicht mehr, wann er zuletzt ein Fenster geöffnet hatte.
    Das wässrig graue Licht des Spätnachmittags, das bald schon von der Dämmerung abgelöst würde, bleichte die orangefarbenen Vorhänge an den abgenutzten Stellen aus.
    Das schmuddelige Zwielicht erhellte die rot-schwarzen Malereien an den gegenüberliegenden Wänden. Der Anblick bereitete ihm Magenschmerzen. Wie hatte es nur so weit kommen können? Hatte er völlig den Verstand verloren? Oder war es ein anderer gewesen, der diese Fragmente von Gesichtern und Körperteilen an die Wände geschmiert hatte, bevor er losgegangen war, um eine alte Frau umzubringen.
    Um Gottes willen, hatte er das wirklich getan?
    Er wusste nicht, was er getan hatte. In seiner Erinnerung waren die Ereignisse der letzten Nacht unwirklich, bruchstückhaft und verzerrt. Wenn er nur für einen Augenblick seine rasenden Gedanken abbremsen könnte, vielleicht würde er dann ja einschätzen können, was er getan und was er in diesem Apartment und an seinen Wänden gesehen hatte. Ob das alles überhaupt möglich war. Aber er spürte noch immer das Gewicht ihres knochigen Körpers in seinen Händen. Und sah Mrs. Roth vor sich auf dem Boden liegen, mit dem geplagten Gesicht, das ihn anstarrte. Oder den flinken Schatten, der über den Fußboden des Spiegelzimmers gehuscht war und sich über sie gelegt hatte. Das Zimmer, in das er sie getragen hatte wie ein Priester, der ein Opfer in den Tempel bringt. Und dann erinnerte er sich, wie er ihre Leiche auf den Boden ihres Schlafzimmers gelegt hatte, direkt vor das Bett. Dort würde man sie heute auffinden. Ihre Pflegerin hatte sie bestimmt schon entdeckt. Und jeden Augenblick würde jemand Stephen anrufen und vielleicht auch die Polizei.
    Der Spiegel – was hatte er nur in diesem Spiegel gesehen? Etwas, das verzweifelt herumzappelte wie ein dünner weißer Vogel mit einem gebrochenen Flügel. Es hatte etwas Rotes über dem Gesicht gehabt, mit dem etwas nicht stimmte. Es hatte sie fortgezerrt, hinein in dieses Spiegelbild.
    Er konnte seinen Erinnerungen nicht mehr trauen. Er konnte nicht einmal mehr zwischen der Wirklichkeit und seinen Albträumen unterscheiden. Nein. Das war nicht möglich. Er halluzinierte schon seit Wochen. Zuerst die Träume, dann die Visionen von diesem Jungen. Sein krankes Gehirn hatte sich das alles ausgedacht. Das passierte eben, wenn man zu viel Zeit allein verbrachte. Wenn man zu wenig Schlaf bekam und nicht richtig aß. Dann wurde man depressiv und ängstlich, und der Verstand wendete sich gegen sich selbst. Er hatte den Pfad der Vernunft

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