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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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schon längst verlassen, und nun fand er nicht mehr zurück. Es war zu spät.
    Seth setzte sich wieder hin. Schloss die Augen. Biss die Zähne zusammen und versuchte, das jäh aufblitzende Bild des toten Gesichts von Mrs. Roth zu unterdrücken und gegen die morbiden Gedanken vorzugehen, die ihm vorgaukelten, dass es in diesen Rahmen an der Wand des Spiegelzimmers noch einen weiteren Kopf gegeben hatte. Einen Schädel, der auseinandergefallen und zerstört worden war. Gemalt mit noch feuchter Ölfarbe.
    Er musste unbedingt aus London weg. Raus aus diesem heruntergekommenen und verdreckten Zimmer. Weg von Apartment Nummer sechzehn und seinem Einfluss. Er musste dieses ganze Elend, diese Aggression und diese Gleichgültigkeit, mit der die Stadt ihn überhäufte, hinter sich lassen.
    Er hatte eine ganze Reihe Nachtschichten hinter sich und nun ein paar Tage frei. Falls er verhört werden sollte, könnte er sagen, er sei nach Hause gefahren, um seine Mutter zu besuchen. Dann erschiene es nicht so verdächtig, dass er die Stadt verlassen hatte. Nur für den Fall, dass man ihn für den Tod von Mrs. Roth verantwortlich machte.
    Das kam ihm durchaus logisch vor, und er stand auf. Er war noch immer unsicher auf den Beinen, vor seinen Augen flimmerte es, weil er zu wenig Schlaf bekommen hatte. Er sammelte seine Kleider ein, die in einer Zimmerecke lagen, und holte einen Rucksack. Dann stopfte er die schmutzigen Klamotten hinein. Schließlich griff er nach seinem Mantel, den Schlüsseln und dem Portemonnaie, ging aus dem Zimmer und schloss hinter sich ab. Verließ den Raum, der wie die Hinterlassenschaft eines Wahns, einer Manie und vergeblicher Mühen aussah. Ein Ort, an den er nie mehr zurückkehren wollte.
    Der Verkehr auf der New North Road kam nie zur Ruhe. Er wartete an der Bordsteinkante und blinzelte in das dämmrige Licht, das noch immer in seinen Augen brannte. Kalte Windstöße schlugen ihm aus drei verschiedenen Richtungen entgegen. Staubige, nach Rauch riechende Luft wirbelte um seinen Kopf.
    Endlich sprang die Ampel um. Er ging weiter, die Essex Road hinauf bis nach Islington. Sein Ziel war die U-Bahn-Station Angel. Und dann King’s Cross, und dann nichts wie weg. Beim Gehen zitterte und schwitzte er gleichzeitig. Er fürchtete schon, das Fieber könnte wieder ausbrechen. Er fühlte sich einfach nicht gut. Er stolperte hin und her, um den herumtrödelnden Passanten auszuweichen, und hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten und gar nicht voranzukommen.
    Der Himmel hing sehr tief, war grau und trostlos. Ihm schien es, als würde er schon wenige Zentimeter über den obersten Stockwerken der höchsten Gebäude beginnen. In diesem schäbigen Licht wirkte alles schmutzig und schmierig, die hässlichen roten Ziegelmauern wie auch die fleckigen Betonwände, und man konnte kaum weiter als fünfzig Meter sehen.
    Die Menschen um ihn herum sahen aus wie der letzte Abschaum einer degenerierten Rasse. Das groteske Gewicht ihrer fetten Körper ließ sie hin und her taumeln. Sie schnaubten eigenartig und stießen sich gegenseitig mit Ellbogen oder Schultern aus dem Weg, während sie sich über den rissigen Asphalt voranmühten. Er vermied es, ihnen ins Gesicht zu sehen. Was hatte diese Stadt nur aus ihren Bewohnern gemacht? Die machten ihn alle krank.
    Jeder schien an fortschreitendem Verfall zu leiden. Manche, so wie er, waren nur schon in einem späteren Stadium. Aber es brachte nichts, sich an denen zu ergötzen, die noch schlimmer dran waren, denn ihr Anblick führte einem nur den eigenen Niedergang vor Augen und die Orte, an denen er stattfand: erbärmliche Einzimmerwohnungen, feuchte Räume und labyrinthische Betonbunker, zwischen denen kein Platz für Bäume war und wo der ständige Lärm des Verkehrs alles überdröhnte.
    Bloß weg von hier. O Gott, ich will fort von diesem Ort, an dem alles kaputtgeht. Raus aus dieser Stadt, die sich ihre ewige Verschmutzung durch das Elend der Bewohner sichert. Dadurch hielt sie sich am Leben. Indem sie die Hoffnung ertränkte und den Verstand zerstörte. Indem sie Krisen und Zusammenbrüche inszenierte. Indem sie schockierende Armut der Tyrannei des Wohlstands gegenüberstellte. Zusammen mit der ewigen Frustration, schon wieder zu spät dran zu sein, mit einem Wahnsinn, der alles erstickte, und Neurosen, die einen nicht mehr losließen. Der unaufhörliche Wechsel von Verzweiflung und Euphorie, der mörderische Zorn auf den Nachbarn, der einem zu dicht auf die Pelle rückt, die toten

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