Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Onkel passiert ist. Sie waren doch Nachbarn. Und sogar befreundet.«
Er atmete lautstark aus. »Das war doch vor langer Zeit. Wir können uns an nichts mehr erinnern.«
»Ich weiß von Felix Hessen.«
Bei der Erwähnung des Namens blickte er auf, und seine Augen wirkten auf einmal erstaunlich lebendig.
»Ich möchte wissen, ob das, was meine Großtante aufgeschrieben hat, stimmt. Das ist alles. Um ihr Leben zu einem Ende zu bringen, gewissermaßen. Bitte, Sir, es ist doch nur für mich und meine Mutter. Wir werden es niemandem sonst erzählen.«
Tom Shafer blinzelte sie an. Seine dicken Brillengläser bewegten sich über die kleine Nase. »Junge Dame, Ihre Großtante war völlig verrückt. Und Sie erinnern mich jetzt sehr deutlich an sie. Sie kam auf genau die gleiche Art hier zu uns hoch. Wir wollen aber von alledem nichts mehr wissen.«
Von alledem? Was meinte er damit? Die Bemerkung, dass sie Lillian ähnelte, schmeichelte ihr. »Sie hatte Probleme. Das weiß ich ja. Aber Sie wissen ja auch warum. Mrs. Roth hat es mir erzählt. Sie hat mir erzählt, was passiert ist. Kurz bevor sie starb.«
Die Tür ging wieder auf, diesmal etwas weiter. »Betty hätte niemals etwas gesagt. Sie hatte vielleicht viele Fehler, aber sie war keine Klatschtante.« Trotz seines eingeschrumpften Körpers und dem kleinen Kopf mit der überdimensionierten Kappe klang seine Stimme weiterhin überraschend kräftig und tief. Auf einmal fühlte sie sich dumm und lästig, wie ein Kind, das sich schlecht benommen und die Erwachsenen gestört hat.
Sie räusperte sich. »Mrs. Roth hat mir nicht alles erzählt. Aber sie war sehr verängstigt, bevor sie starb. Sie wollte sich unbedingt jemandem anvertrauen. Mir. Sie hatte das Gefühl, dass sie in Gefahr sei. Dass etwas aus der Vergangenheit sich wieder manifestiert hat. Sie hat mir von den Gemälden erzählt. Von Hessens Unfall und was er hier gemacht hat. Dass seine Anwesenheit das Leben von Ihnen allen verändert hat. Meine Großtante hat darüber in ihren Tagebüchern geschrieben. Dadurch habe ich eine Menge erfahren. Auch was passiert ist, nachdem Hessen hierher zurückkam und Sie alle erneut gequält hat.«
Tom Shafer sagte eine Weile lang gar nichts. Aber sein kratziger Atem ging heftig. Auf einmal sah er krank aus und furchtbar gebrechlich, als könnte er jeden Moment hinfallen und nicht mehr aufstehen.
»Ich möchte mich nur ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten. Sonst nichts. Ich möchte es wissen.«
»Das geht nicht. Tut mir leid. Meine Frau … «
Der alte, zerbrechliche Mann erinnerte sie jetzt an Lillian und ihre Angst und Einsamkeit. Trotzdem hatte sie ihren Kampf gegen die Geister, die sie in ihrer Erinnerung heimsuchten und sie Tag für Tag terrorisierten, nie aufgegeben. Sie hatte sich nicht unterkriegen lassen. Nicht so wie Mrs. Roth und die Shafers, die sich mit ihrer Gefangenschaft bis zum Tod abgefunden hatten, als jämmerliche engherzige Pflegefälle. Apryl wischte sich eine Träne ab, die über ihre Wange rollte.
Ohne sie anzusehen, als würde er sich schämen, zog Tom Shafer die Wohnungstür auf und humpelte voran durch den dunklen Flur. Nach einigen unsicheren Schritten hielt er an und drehte den Kopf zur Seite: »Kommen Sie nun rein oder was?«
Apryl tupfte sich die Nase ab und ging hinter ihm her. Aber nun, nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte, war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie hören wollte, was er ihr zu sagen hatte.
»Sprechen Sie bitte leise«, flüsterte er. »Wenn Sie meine Frau stören, müssen Sie wieder gehen.«
Sie nickte, fragte sich aber gleichzeitig, ob er dies aus Fürsorge oder aus Angst vor seiner Frau gesagt hatte.
Sie folgte ihm an kahlen, fleckigen Wänden entlang in das große Wohnzimmer. So wie es hier aussah, schien das Ehepaar nur eine kleine Ecke des Raums zu benutzen – den Teil mit dem Fernsehgerät, wo zwei abgenutzte Sessel vor einem Tisch mit Rädern standen, auf dem kleine Evian-Flaschen standen und Servietten, Süßigkeiten, halbaufgegessene Weintrauben und verstreute Medikamentenpackungen lagen. Der Rest des Zimmers war leer bis auf ein altertümliches Sideboard und einen Esstisch, auf dem neben verblichenen Handtüchern und zerknitterter Bettwäsche zahlreiche Kartons gestapelt waren. Auch diese Wohnung war schlecht beleuchtet und karg eingerichtet wie manch andere im Barrington House. Trotz ihres vielen Geldes lebten diese Leute wie Sozialhilfeempfänger. Der Teppichboden war mit Krümeln und Papierfetzen
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