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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Pulsschlag stockte, das Blut in seinen Adern gefror zu Eis und alle seine Gedanken und Gefühle wurden jäh zum Halten gebracht. Das da war auf keinen Fall ein gut getroffenes Porträt der ehemaligen Bewohnerin von Apartment Nummer achtzehn. Es war eher eine Impression von ihr. Die Verkörperung des grausamen Bewusstwerdens vom Ende ihres Daseins. Die Darstellung des Schreckens, den sie empfunden hatte, als ihr klar wurde, dass sie erledigt war und erfuhr, welches Schicksal sie ereilte und welches unendliche Leiden nun folgte.
    Die Haut ihres Gesichts war irgendwie verschoben, jedenfalls klebte sie schief am Schädel, als wäre sie von unsichtbaren Händen gewaltsam verrückt worden. Die wässrigen Augen waren nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz, sondern woanders am Kopf, aber es war klar, dass es ihre eigenen waren. Sie glänzten und waren weit aufgerissen vor Erstaunen und etwas anderem. Ihre dünnen Ärmchen, von denen das Fleisch gerissen worden war, suchten nach Halt, griffen aber ins schwarze Nichts, das sich über ihr ausdehnte. Durch diese Schwärze schien ihr Körper gleichzeitig zu wandern und irgendwie festzuhängen. Ihr ganzer Körper war nur noch eine brüchige Struktur wie aus dünnen Stöcken, der jeder Halt abhandengekommen war. Jede Form war verschwunden. Alles weg.
    »Nein«, murmelte Seth vor sich hin.
    Nun stand er wieder hier zwischen den roten Wänden, um sich ein Bild anzusehen, das das letzte Mal nicht da gewesen war, als er hier vor diesen verzerrten Schemen in den Goldrahmen gekniet hatte. Dieses Gemälde war neu. Und schlimmer als alle Bilder von Mrs. Roth, die er noch von der Nacht ihres Todes im Kopf hatte. Denn dieses hier zeigte ihm, wo sie sich jetzt befand. Wo er sie hingebracht hatte. Und Seths Gefühl der völligen Entmündigung war stärker als je zuvor, falls das überhaupt noch möglich war. Stärker als in jenem Moment, als er vor ihren sterblichen Überresten gehockt hatte, die ein lumpiges Nachthemd nur notdürftig bedeckt hatte.
    »Da is’ noch mehr, Seth. Komm mit«, sagte der Junge, der jetzt vor der Tür zum Spiegelzimmer stand. »Das musst du auch noch seh’n.«
    Er wandte sich von den Bildern ab, zwang sich, seine kaum noch spürbaren Gliedmaßen zu bewegen, und ging in die Richtung, die der Junge ihm wies. Zum Spiegelzimmer. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien, aber er konnte sich keine Sekunde lang vorstellen, sich dem Jungen mit der Kapuze zu widersetzen. Ein unangenehmer Drang, noch mehr zu sehen, erfüllte ihn, er wollte jetzt bis an die Grenzen des Erträglichen gehen und alle psychischen Torturen aushalten, die von diesen Kreaturen ausgingen. Es drängte in ihn geradezu, das Spiegelzimmer zu betreten.
    Dort war eine neue Ausstellung für ihn arrangiert worden. Die Serie mit den zerstörten Gesichtern war verschwunden. An ihrer Stelle hingen fünf leere Leinwände, die ein ungeheures Gefühl von Tiefe vermittelten, das bei einem zweidimensionalen Medium eigentlich unmöglich war. Daneben hing ein Triptychon, das direkt neben der Tür begann, durch die er eingetreten war.
    Die drei neuen Bilder wurden von Rahmen umfasst, glänzten aber noch feucht, als wären sie eben erst beendet worden. Von dort, wo er jetzt kniete, konnte er die Ölfarbe riechen. Es war eine Serie von Gemälden, auf denen er etwas erkannte, das eine Art Erzählung zu sein schien. Die ersten beiden Bilder wurden von dem dritten durch einen Spiegel getrennt, der direkt gegenüber an der Wand angebracht war und von dem aus sich ein silbrig glänzender Korridor in unendliche Ferne erstreckte, bis er winzig klein verschwand.
    Auf dem ersten Bild trat vor einem dunklen Fleck im Hintergrund die Andeutung eines Treppenhauses hervor, das zum Barrington House gehörte. Er erkannte es sofort, er war auf seinen Kontrollgängen Hunderte Male dort entlanggelaufen. Nur, dass die Wände auf dem Bild die Farbe von getrocknetem Blut hatten. Orangefarbene Kugeln schimmerten und erleuchteten die dunkleren Ecken dank einer Maltechnik und einem Mix der Farben, die er nur als meisterlich bezeichnen konnte, trotz der drei Gestalten im Vordergrund. Monströse Dinger, die ihn so erschreckten, dass er zusammenzuckte.
    Drei Männer in Abendgarderobe mit abgezogener Kopfhaut und dicken mürrischen Lippen, die auf bösartige Weise auseinanderklafften. Sie stiegen die Stufen hinauf auf Beinen, die nicht völlig ausgeformt oder abgesetzt waren von den grauen Strichen am unteren Ende des Bilds. Es sah aus, als

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