Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
fester und drängender. Er klang wie der Geschäftsmann, der er einst gewesen war und der mit herrischer Stimme Millionen verdient hatte.
»Hören Sie, das ist … Ich will Ihnen doch nur helfen«, sagte Seth ohne besonderen Effekt, denn sie redeten weiter auf ihn ein.
Mr. Shafer versuchte, sich von seiner massigen Frau zu befreien. Sein Kopf senkte sich, zweifellos wollte er flüchten. »Rufen Sie bitte Stephen an. Ich möchte mit dem sprechen, der die Aufsicht hat. Das ist ja lächerlich.«
Seth versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu bringen. »Sie müssen aber. Sie müssen da rein. Sofort.«
»Ich gehe nirgendwo hin, wenn ich nicht mit dem Einsatzleiter gesprochen habe. Treten Sie bitte zur Seite.« Der alte Mann bohrte seinen Spazierstock in Seths Magen.
Das hätte er nicht tun sollen. Ihn mit dem Stock angreifen. Er hätte ihn nicht berühren sollen. Seth bekam keine Luft mehr. In seinem Inneren wurde alles schwarz. Er war viel zu aufgeregt, um besonnen zu reagieren.
Mrs. Shafer sah noch immer auf die Messingziffern an der Tür, dann den unbeleuchteten Flur entlang, dann wieder zu ihrem Mann. Ihr Mund stand offen, ihre Augen waren weit aufgerissen. In diesem Moment schlug Seth ihrem Mann den Stock aus der Hand.
Er fiel gegen die Wand.
Mrs. Shafer schrie auf.
Seth packte mit einer Hand den Kragen des Morgenmantels des alten Bankiers und mit der anderen ein Stück Stoff an seinem Rücken, dann hob er ihn hoch und schleppte ihn über die Türschwelle. Mr. Shafers Füße hingen in der Luft.
»Aus dem Weg«, stieß Seth mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Mrs. Shafer sprang zur Seite, was ihn sehr wunderte. Sie ließ ihn einfach vorbei, als würde er ein ungehorsames Kind, das einen Trotzanfall hat, ins Auto verfrachten.
Mr. Shafer gab keinen Laut von sich. Sagte kein Wort. Nichts. Er hing einfach da und ließ sich den Flur entlangtragen. Erst als sie vor der halbgeöffneten Tür des Spiegelzimmers ankamen, aus dem das Rauschen des Windes drang, und ein unnatürlich kalter Lufthauch sie umfing und auf ihren Gesichtern brannte, begann Mr. Shafer zu sprechen: »Oh, lieber Gott. Nein. Nicht da hinein.«
Seth schob die Tür mit dem Fuß auf.
Die Lampen im Zimmer waren aus, aber es war deutlich zu sehen, dass sich etwas darin befand. Etwas Lebendiges, irgendwie elektrisch Aufgeladenes, etwas Wehendes und etwas anderes auf dem Fußboden, das er nicht sehen konnte, dessen Rascheln und Sausen in den Ecken er aber vernahm. Es wirbelte hörbar dort herum.
Er schleuderte Mr. Shafer in das Zimmer, als würde er einen Holzscheit in einen Ofen werfen. Mit dem Kopf zuerst hinein in die Dunkelheit. Und der alte Mann machte kein Geräusch, als er auf dem Boden aufkam, schien dort von etwas aufgefangen zu werden. Aber Seth hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, was er gerade tat und was aus seinem Opfer wurde – darüber schon gar nicht – , sondern wandte sich wieder Mrs. Shafer zu, die noch immer stumm am Eingang des Apartments stand und ihn durch den Flur anstarrte.
Er packte sie und schleppte sie durch den Korridor. »Das wär’s dann. Das wär’s dann. Los weiter. Komm schon«, sagte er vor sich hin, während eine Stimme in seinem Innern laut aufschrie und ihn bat, damit aufzuhören.
Auch sie wehrte sich nicht. Wimmerte nur vor sich hin. Benommen von dem Schock, lief sie einfach in das Zimmer, in dem ihr Mann eben verschwunden war, er musste ihr nur einen ganz leichten Schubs geben. Im Zimmer war es jetzt ungeheuer laut. Es klang, als hätte sich über der Dunkelheit die Decke geöffnet und Tausende von Stimmen schrien dort oben durcheinander. Stimmen, die nichts miteinander zu tun hatten, sondern einander gar nicht wahrnahmen. Es war ein einziges wahnwitziges Durcheinander.
Seth schloss die Tür. Dann fiel er auf die Knie, den Türgriff umklammert, um zu verhindern, das irgendetwas von dort drinnen nach draußen drang. Verzweifelt versuchte er, die Schreie zu ignorieren und diese furchtbaren Töne, die der eisige Wind aus dem Raum zu ihm trug.
Als er hörte, wie jemand gegen die Tür schlug, als ob er die Balance verloren hätte und dagegen gefallen wäre, hätte er am liebsten den Türgriff losgelassen, um sich die Ohren zuzuhalten, aber er wusste, dass er die Tür unbedingt blockieren musste. Sein Selbsterhaltungstrieb wurde noch verstärkt, als er in dem ganzen Stimmengewirr ein lautes Knurren vernahm wie von einem Hund, der etwas im Maul hielt. Es war ganz nah an der Tür, dort, wo eben
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