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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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inne und schaute ein zweites Mal hin, wie ein Backfisch in einem uralten Stummfilm. Im Spiegel sah sie ihr eigenes Gesicht, wie es im Schock erstarrte, als sie hinter sich im Schatten eine Bewegung wahrnahm.
    Das Wesen bewegte sich schnell und huschte durch die Dunkelheit. Abgesehen davon, dass es unheimlich dünn war, schien es sowieso unfassbar zu sein und da, wo ein Gesicht hätte sein müssen, konnte sie nur etwas Rotes erkennen.
    Der kurze Anblick dieser Erscheinung im blank geputzten Spiegel ließ sie herumwirbeln und zusammenzucken wie eine Katze, die einen Angriff erwartet.
    Aber als sie einen zweiten Blick in den Spiegel warf, sah sie nichts mehr in dem schwachen Lichtschein, nur jede Menge Klamotten, die auf dem Bett verteilt herumlagen. Und sich selbst, wie versteinert und ganz allein.
    Endlich konnte sie aufatmen und fand ihr Gleichgewicht wieder. Aufrecht stand sie da und hatte das Gefühl, sie wäre von Eiskristallen bedeckt, die sie erschauern ließen, bevor sie auf ihrer warmen Haut zerschmolzen. Sie schluckte.
    Da war doch gar nichts gewesen. Nur der blasse Schein des schmutzigen Lampenschirms, der ihr im Spiegel etwas vorgegaukelt hatte, das überhaupt nicht vorhanden war. Trotzdem taumelte sie hastig durch das Zimmer und rannte durch den Flur zur Wohnungstür, vor der sie schwer atmend stehen blieb.
    Hatte sich an diesem Ort, an dem es schon lange ganz still geworden war, wo nur Schatten und wirres Durcheinander herrschten, womöglich etwas versteckt, das die ganze Zeit auf dünnen Beinen in einer Ecke gelauert hatte, mit etwas Rotem eng über dem Gesicht – etwas, das nur aus einem Albtraum stammen konnte?

8
    Drei andere Insassen des Busses hatten bemerkt, dass er vor sich hinmurmelte. Sie taten so, als würden seine Selbstgespräche sie nicht weiter interessieren. Seth erschrak, als er bemerkte, dass seine innere Stimme so laut geworden war. Er hörte auf zu reden und sah aus dem Busfenster hinunter auf die Straße, um sich von den Gedanken abzulenken, die ihn beschäftigten.
    Was passierte da eigentlich mit ihm? Das war kaum zu verstehen. Schwer zu sagen, wie er vorher gewesen war. Die normalen menschlichen Verhaltensweisen kamen ihm inzwischen eigenartig vor. Völlig fremd. Er fragte sich, ob er eine Art Erleuchtung erfahren hatte oder ob er ganz einfach den Verstand verlor.
    Sein Gesicht brannte, die Haut fühlte sich irgendwie weich an. Jede Bewegung spürte er als schmerzhaftes Reiben in den Gelenken. Die Muskeln schienen von einer Art Säure zersetzt zu werden, die sich bei jeder Bewegung ausbreitete. Pulsierende Kopfschmerzen drückten von innen gegen seine Augen und zwangen ihn, sie zuzukneifen, wenn sie hellem Licht ausgesetzt waren. Und je weiter er sich von seinem Zimmer entfernte, umso schlechter fühlte er sich.
    Unten auf der Straße hockten die Bettler auf dem kalten Pflaster, die Beine mit schmutzigen Tüchern bedeckt. Sie schienen noch auf eine Rettung zu hoffen, auf eine Chance, ihrem Schicksal zu entgehen. Er hingegen war längst dem unausweichlichen Untergang geweiht, schien sich sowohl psychisch wie auch physisch aufzulösen. Jedenfalls kam es ihm so vor. Eine lange Reihe von Enttäuschungen, falsche Entscheidungen, schlechtes Benehmen und grüblerische Phasen hatten ihm das eingebrockt.
    Er konnte seine Gedankengänge nicht mehr anhalten. Widerstreitende Ideen schossen unkontrolliert durch sein Gehirn, änderten ständig die Richtung und tauchten unerwartet wie ein jähes Feuer auf. Ihm kam es vor, als dienten die letzten Überreste seiner einstigen Persönlichkeit nur noch dazu, seiner Verwandlung machtlos zuzusehen.
    Er war wütend auf sich selbst und versuchte herauszufinden, warum er nicht zu Hause geblieben war. Wegen seines Fiebers hatte er nicht mehr als ein paar Stunden Ruhe zwischen den Schichten im Barrington House bekommen. Und jedes Mal, wenn er tagsüber aufwachte, stellte er fest, dass er stark schwitzte und sein Bett sich in eine feuchtkalte Kuhle verwandelt hatte. Gleichzeitig stöhnte er auf, weil das Sonnenlicht durch die dünnen Vorhänge drang und ihm Schmerzen bereitete, wenn er die Augen aufschlug. Er schrie auf und hielt sich das Kissen vors Gesicht. Wenn er die Decke wegschob, weil ihm zu heiß war, fror er sofort und musste das feuchte Ding gleich wieder über sich ziehen. Am Nachmittag war er ab und zu aufgestanden, um einen Schluck Wasser zu trinken und Schmerztabletten zu schlucken. Vielleicht war dabei sein Pflichtgefühl erwacht, in einer Art

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