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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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lächerlicher Parodie der protestantischen Arbeitsmoral, und hatte ihn dazu gebracht, sich anzuziehen und sein Zimmer zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen.
    Aber es ging um mehr als nur das. Er fühlte sich beinahe schon gezwungen hinzugehen. Als müsste er dort etwas erledigen, das mit seinen eigenartigen Träumen zu tun hatte und bei dem Mrs. Roth eine Rolle spielte. Vielleicht aber war sein Urteilsvermögen inzwischen schon so sehr getrübt, dass er für seine Handlungen gar nicht mehr verantwortlich war. Möglich wäre es.
    Nachdem er aus dem Bus gestiegen war, trottete er von der Hyde Park Corner zum Lowndes Square. Schweiß stand ihm auf der Stirn, sein Hemd und der Pullover klebten nass an seinem Rücken. Er schwitzte derart heftig, dass sogar der Stoff seines Mantels feucht war, als er sich die Stufen zum Eingang des Gebäudes hinaufquälte. Bei jedem Schritt schmerzten Kopf und Rücken, sein Atem ging stoßweise und tat ihm in der Lunge weh. Trotzdem konnte er nicht aufhören zu rauchen.
    »Ahh«, sagte er und hielt sich die Ohren zu, als Piotr auf ihn zukam.
    »Du glaubst nicht, was ist passiert heute. Das wird richtig Ärger geben. Jorge ist weggefahren, als er sollte eigentlich hier sein. Ich kann mich aber nicht um alles kümmern, wenn er bleibt so lange weg … «
    Seth zog den Kopf ein und rannte die Treppe zum Aufenthaltsraum hinunter. Dort presste er die Hände gegen den Schädel, der ihm irgendwie angeschwollen vorkam. Meningitis. Vielleicht war sein Gehirn entzündet und drückte nun von innen gegen die Schädeldecke. Piotrs Stimme verfolgte ihn noch bis ins Untergeschoss: »Und dann er wird auch noch bezahlt für diese Fahrerei. Aber in unsere Vertrag steht, dass wir dürfen keine Arbeit von außerhalb annehmen. Das ist nicht in Ordnung. Warum darf er das … «
    Womöglich würde er heute in dem Stuhl hinter dem halbrunden Pult sterben. Vielleicht waren seine Träume ja nur der Auftakt zu einem Koma. Ja, vielleicht war sein Bewusstsein schon teilweise erloschen. Vielleicht hatte er sich schon so weit aufgelöst, dass er an einem Punkt angekommen war, wo seine Existenz keinen Sinn mehr hatte. Und nun machte die Natur Schluss mit ihm, weil er seinen Artgenossen nur noch zur Last fiel. Er musste lachen und schluchzte auf.
    Im Aufenthaltsraum zog er sich bis auf Hose und Socken aus und wusch sich mit kaltem Wasser. Dann trocknete er sich mit Papierhandtüchern unter den Armen, am Hals und am Rücken ab. Als er seine Uniform anhatte – die grauen Polyesterhosen, das weiße Synthetikhemd, den Pullover, die Krawatte und den marineblauen Blazer – , war er schon wieder völlig durchgeschwitzt.
    Er schaltete das Licht aus und legte sich auf das kleine Sofa neben dem Wasserspender. Er machte sich eine heiße Zitrone mit einer großen Dosis Paracetamol und wartete auf den Beginn seiner Schicht.
    In den nächsten Stunden konnte er wegen seiner Krankheit nichts tun, als einfach nur anwesend sein. Er schaukelte in seinem Stuhl vor und zurück und hielt das heiße Gesicht mit beiden Händen fest. Die grellen Lichter der Eingangshalle brannten in seinen Augen, und die gluckernden Heizkörper waren so heiß, dass er fürchtete, innerlich völlig auszutrocknen. Er legte seinen Mantel über sich und dämmerte immer wieder weg.
    Aber kurz nach Mitternacht hatte er das Gefühl, dass jemand im Haus war, in den Räumlichkeiten außerhalb der Wohnungen. Als wäre jemand mit ihm zusammen eingeschlossen worden. Jedenfalls spürte er, dass da etwas war, etwas, das sich scheinbar ziellos durch die verschiedenen Stockwerke bewegte und gelegentlich kurze Fahrten mit dem Lift unternahm. Wie ein unruhiges, gelangweiltes Kind, dem es gelungen ist, sich Zutritt zu einem privaten Gebäude zu verschaffen.
    Eine halbe Stunde später quälte er sich aus dem Stuhl, um dem Geräusch nachzugehen, das er zuletzt in der Nähe seines Pults wahrgenommen hatte: das Rascheln von Kleidern und Schritte von kleinen flinken Füßen. Das meiste, was er in halbwachem Zustand gehört hatte, schien viel zu weit entfernt zu sein, um ihn besonders zu beunruhigen, irgendwo oben in einem anderen Stockwerk. Aber diese Laute kamen aus der Eingangshalle direkt in seiner Nähe. Dann war das Quietschen und Zuschlagen der Feuertür zu hören gewesen, die zum Treppenhaus im Westteil des Gebäudes führte, und die Unruhe war vorbei.
    Er horchte und verfolgte das Geräusch bis ins Treppenhaus, vernahm die leisen eiligen Schritte, die sich ein Stockwerk nach

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