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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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dorthin, wo einmal die Wand gewesen war. Nach nur wenigen Schritten sank die Temperatur rapide. Kälte breitete sich in ihm aus. Er zitterte so heftig, dass er kaum noch atmen konnte. Sogar mit geschlossenen Augen nahm er wahr, dass er am Rand eines Abgrunds stand. Der Fußboden des Zimmers hatte sich in eine kleine Scholle inmitten einer unendlichen Dunkelheit verwandelt. Und diese Dunkelheit war angefüllt mit Leid, Verwirrung und Wahnsinn. Und all das krabbelte jetzt auf seine kleine Scholle, als wäre dieses Zimmer ein einsames Floß inmitten eines gefrierenden schwarzen Meeres.
    Er fiel zu Boden und hielt sich dort fest, während die deformierten und zerstückelten Gestalten, die er im Flur fälschlicherweise für Gemälde gehalten hatte, über ihn hinwegkletterten.
    Das Klingeln des Telefons schreckte ihn aus dem Schlaf, und er schrie auf. Es klang wie ein Würgen, das augenblicklich in qualvolles Schluchzen überging, ein Geräusch, das er noch nie von sich selbst gehört hatte. Und als das grelle gelbe Licht der Eingangshalle in seinen aufgerissenen Augen brannte und er die feste Lehne des Ledersessels in seinem Rücken spürte, verwandelte sich das Schluchzen in ein angestrengtes Keuchen.
    Die Tränen auf seinem Gesicht trockneten. Er hustete, um seine Kehle frei zu bekommen. Seine Hände umkrampften die Lehne des Sessels, bis das Blut aus ihnen gewichen war, als würden sie noch immer einem Befehl gehorchen, der verhindern sollte, dass er aus großer Höhe nach unten fiel.
    Seth sah sich um. Das plötzliche Erwachen ließ ihn den Schrecken vergessen. Die vertraute Welt der Überwachungsmonitore, des Armaturenbretts und der klingelnden Haustelefone um ihn herum verjagten die letzten Reste der erdrückenden Dunkelheit in seinem Kopf. Der Alptraum verschwand, ebenso wie der Verdacht, alles, was er eben gesehen hatte, könnte auf irgendeine Weise wahr sein.
    Er war krank. Richtig krank. Kein Zweifel.
    Jemand wollte etwas von ihm. Am Telefon. Oh Mann, wie lang klingelte das wohl schon? Wie spät war es überhaupt? Er drehte sich auf seinem Sessel herum und griff nach dem Hörer auf dem Armaturenbrett.
    Nachdem er sich geräuspert hatte, meldete er sich wie immer: »Hallo, hier ist Seth.«
    Schlechte Verbindung. Aber über dem Knacken und Rauschen sprach jemand. »Hier drin«, glaubte er zu verstehen. Oder war es eher »hier unten«? Jedenfalls handelte es sich um eine männliche Stimme, aber er konnte sie nicht zuordnen. Er sah auf die Anzeige. Das rote Licht von Nummer sechzehn leuchtete.
    Seth erinnerte sich an einige Bruchstücke seines Traums und ließ erschrocken den Hörer fallen.

9
    Der Spiegel war umgedreht und zur Wand gerichtet. Die ganze Nacht hatte er nichts anderes reflektiert als das ehrwürdige Gesicht ihrer Großtante und ihres Großonkels in trockener Ölfarbe, statt ihrer selbst, wie sie ängstlich und angespannt im Bett lag.
    Sie hatte den Spiegel umgedreht, weil er ihr Angst gemacht hatte. Aber es war nur ein langer Spiegel in einem dunklen Zimmer in einer alten Wohnung in einer fremden Stadt, in die eine müde und aufgeregte junge Frau gekommen war, die von den Dingen dort völlig überwältigt war und sich viele Gedanken gemacht und eigenartiges Zeug ausgemalt hatte. Sonst nichts.
    Das schwache morgendliche Licht drang durch die Fenster und fiel als grauer Glanz durch die Gardinen. Sie hatte die Vorhänge gestern Abend nicht zugezogen, weil sie sich nicht eingeschlossen fühlen wollte. Als könnte sie tatsächlich durch die Fenster hoch über dem Lowndes Square fliehen. Auch alle Lampen waren noch an, sogar die Deckenleuchte.
    Noch immer war sie verblüfft über ihre Einbildungskraft, die so schreckliche Dinge erfinden konnte, dass sie sich zu Tode ängstigte. Sie stieg aus dem Bett und sah nach draußen in den Himmel, der schon wieder dunkel war und mit orangefarbenen Streifen durchzogen. Die Nacht schien zurückzukommen und die Erde beherrschen zu wollen, und das um neun Uhr morgens.
    Müde und angespannt, als hätte sie überhaupt nicht geschlafen, zog sie die Gardinen auseinander, damit mehr Licht hereinfiel. Während sie das Durcheinander aus dünnem Stoff ordnete, fiel etwas laut polternd auf den Boden, direkt vor ihre Füße. Es war eine weiß-blaue Untertasse, die nun verkehrt herum auf dem Teppich lag, neben einem altertümlichen Schlüssel mit einem Griff in Form von Schmetterlingsflügeln. Er war so groß, dass er gut zu einer Schublade in der Kommode passen konnte. Sie hob ihn

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