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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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detailliert beschrieben wurden, weil ihr verstorbener Ehemann, an den dieses Tagebuch gerichtet war, sie gekannt hatte:
    Im Osten komme ich nicht weiter als bis nach Holburn. Im Westen sind seine Grenzen enger gefasst. Heute sah ich mich gezwungen, Marjory anzurufen, als ich schon auf der Straße war, um die Verabredung zum Mittagessen abzusagen. In dieser Richtung komme ich nur bis zu den Duke of York’s Headquarters. Und der Holland Park könnte genauso gut in China liegen, wenn man bedenkt, wie sehr mein Radius inzwischen geschrumpft ist.
    Mit jeder Absage wundern sich meine Freundinnen mehr über mich. Ich höre es an ihren Stimmen und merke, dass sie sich Sorgen machen, auch wenn sie netterweise zu verbergen versuchen, dass sie zögern würden nach Mayfair zum Abendessen zu kommen. Wenn ich immer mehr Verabredungen absage und Einladungen ablehne, fürchte ich, werde ich bald überhaupt keine Freunde mehr haben. Ich bin direkt froh, dass die andere Flussseite für mich nicht infrage kommt. Zweimal bin ich auf der Westminster Bridge aufgehalten worden, nachdem ich mit erhobenem Kopf zuversichtlich losmarschierte. Aber dann hat mich ein ungeheurer Schwindel erfasst, und ich wurde so müde, dass ich mich wie eine plötzlich erblindete Frau auf eine Bank setzen musste.
    Es ist so schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren, wenn ich hier sitze und dir schreibe, mit klarem Kopf und aufrecht, wie ich es in meinem ganzen Leben immer gewesen bin. Aber wenn ich am Flussufer entlang zur Grosvenor Road gelangen will, läuft es darauf hinaus, dass ich dahin kriechen muss wie eine Katze mit schlimmen inneren Verletzungen. Wandsworth kann ich nur sehnsüchtige Blicke zuwerfen, als wäre es das reine Paradies. Dabei wollte ich dort niemals hingehen, als du noch gelebt hast, mein Liebling. Jetzt hingegen würde ich mich barfuß und ohne einen Penny in der Tasche auf den Weg machen und über die Betonsteige zwischen den Kränen hindurchlaufen, wenn ich auf diese Weise frei von ihm würde und von dieser Krankheit, die er mir aufgezwungen hat. Die anderen hat es auch erwischt. Vor mir können sie es nicht verbergen. Beatrice ist schon seit einem Jahr nicht mehr weiter als bis Claridge’s gekommen. Und als ich ihr erzählte, was für einen Anfall ich in Pimlico hatte, hat sie meine Anrufe nicht mehr erwidert, als wäre ich die Verursacherin dieser Seuche. Sie war schon immer ziemlich feige und schrecklich tyrannisch. Nun können wir das Personal nicht mehr halten. Sie lässt die Wut über ihre Gefangenschaft an anderen aus, die nichts dafür können. Weder vor sich noch vor anderen wird sie jemals zugeben, dass er hinter dieser ganzen Misere steckt. Die Shafers wiederum sind sehr nett zu mir, aber sie klagen ständig über Hüftschmerzen, als wären sie schon uralt und gebrechlich. Sie stecken ihre dummen Köpfe in den Sand, mein Liebling. So lange sie noch Besuch von ein paar alten Freunden bekommen, sagen sie sich, dass sie es ja sowieso nicht nötig haben, das Haus zu verlassen. Und noch immer weigern sie sich, mir zu erzählen, was an dem Tag passiert ist, als sie versucht haben, über King’s Cross aus London zu fliehen.

10
    Völlig geschwächt und mit leerem, brennendem Magen erwachte Seth in seinem Zimmer. Er pinkelte in einen großen Kochtopf und trank lauwarmes Leitungswasser aus einer alten Flasche, die er sich als Notvorrat bereitgestellt hatte, bis sein Fieber vorbei war.
    Durch die dünnen Vorhänge konnte er die Lichter sehen, die in dem Haus hinter dem Green Man leuchteten. Es dämmerte schon. Sein Reisewecker zeigte vier Uhr nachmittags. So wie er sein Leben jetzt führte, bekam er kaum noch Tageslicht zu sehen. Wenn er gelegentlich mal ins Helle trat, fragte er sich, ob die Sonne ihn wohl eher wiederbeleben oder umbringen würde.
    Hier oben auf der Etage über der Kneipe war alles ruhig. Die anderen Mieter waren offenbar noch auf der Arbeit oder unterwegs oder unten in der Bar. Bestimmt kamen sie bald zurück und fingen an, Schinken und Ei in der Küche zu braten. Das war das Einzige, was die anderen immerzu aßen. Schon allein beim Gedanken daran krampfte sich sein Magen zusammen.
    Eingehüllt in seine Bettdecke stand Seth vom Bett auf und machte den einen Schritt zu seinem Kühlschrank. Er schaltete den Wasserkocher ein und öffnete die Kühlschranktür, um eine Plastikflasche mit Milch herauszuholen. Das grellweiße Licht des Kühlschranks tat ihm in den Augen weh. Es war nur noch wenig Milch übrig, und er

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