Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Apartmenttür zu, und das Geräusch hallte durchs Treppenhaus bis in die Wohnung ihrer Großtante. Es war gut zu wissen, dass sich noch andere Menschen in diesem Haus befanden.
Sie versuchte, ihre aufgewühlten Gedanken auf die wesentlichen Dinge des morgigen Tages zu richten. Sie würde die Fotos in Plastikfolien stecken, die vertrockneten Blumen in Müllsäcke stopfen und vielleicht den Taxifahrer anrufen, der Lillian am letzten Tag nach Hause gebracht hatte, um sich zu bedanken. Vielleicht. Und die Makler. Vielleicht.
War sie eingenickt? Sie schien zu schlafen, aber irgendwie war sie sich gleichzeitig des Zimmers um sich herum bewusst. Als wäre sie abgedriftet, aber noch nicht ganz weggedöst. So etwas passierte ihr nicht sehr oft, aber sie kannte das Gefühl. Sie lag allein da, als einzige Bewohnerin dieses Apartments, und merkte, dass um sie herum etwas geschah.
Wer war das, der sich da über ihr Bett beugte?
Andere Leute im Haus mussten ihren Schrei gehört haben. Eine ganze Weile saß sie starr und aufrecht im Bett, ehe sie herauskroch. Ihr Fuß blieb in der Decke hängen und sie versuchte, sie abzuschütteln, als wäre es eine Hand, die sie festhielt und irgendwohin zerren wollte. Sie hörte Stimmen. Weit entfernt. Durch ihren eigenen schweren Atem und ihr klägliches Jammern hindurch. Als würde ein Wind die Geräusche eines weit entfernten Schulhofs zu ihr tragen.
Der Wind war draußen vor ihren Fenstern, jenseits der Wand, aber auch woanders. Oben unter der Decke. Die Zimmerdecke war dunkel geworden und dehnte sich endlos weit um etwas aus, das wie ein sich langsam entfernendes Gesicht aussah. Etwas Rotes war an diesem Gesicht, das sich allmählich in der Dunkelheit verlor, die sich dort ausbreitete, wo das Licht eigentlich vergilbte Farbe und Risse zeigen sollte und nicht dieses farblose Nichts, von dem eine grausige Kälte ausströmte. Eine Kälte, die durch die Haut bis auf die Knochen drang.
Aber wo war das Gesicht jetzt geblieben und was war mit den Stimmen und dem Wind?
Apryl stand vor der Schlafzimmertür und blickte auf das Bett, aus dem sie gerade geflüchtet war. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie trug nur ihre Unterwäsche. Das Zimmer ihrer Großtante sah jetzt wieder aus wie zu dem Zeitpunkt, als sie noch nicht eingeschlafen war. Die Lampen leuchteten, die Wände waren kahl, und es war niemand außer ihr anwesend.
14
Durstig und mit schwerem Kopf richtete Seth sich in seinem viel zu warmem Bett auf und griff nach dem Tabak und dem Zigarettenpapier auf dem Nachtschränkchen. Noch desorientiert nach einem langen und betäubenden Schlaf versuchte er, sich an den Moment zu erinnern, bevor er eingeschlafen war. Es schien unendlich lange her zu sein, trotzdem war es draußen noch immer dunkel.
Mit der einen Hand zündete er sich die Zigarette an, während die Finger der anderen auf dem Nachtschränkchen nach dem kleinen Wecker tasteten. Er drehte den Kopf, um hinzusehen, und schloss fluchend die Augen. Das Licht der Nachttischlampe, das die ganze Zeit über gebrannt hatte, schmerzte in seinen Augen.
Ganz langsam wandte er den Blick von der grellen Birne und hielt sich den Wecker vors Gesicht. Sechs Uhr dreißig. Die Frage war nur, ob morgens oder abends und welcher Tag überhaupt. Er hatte sogar Schwierigkeiten, sich an den letzten Tag zu erinnern, an dem er wach gewesen war.
Zahlreiche Blätter mit Skizzen lagen auf dem Fußboden und um die Möbelstücke herum. Er hatte Muskelkater im rechten Arm, seine Hand tat weh und war immer noch verkrampft, nachdem er wie im Wahn eine Zeichnung nach der anderen angefertigt hatte. Offenbar hatte er den ganzen Tag verschlafen. Vielleicht sogar zwei Tage. Das wässrig trübe Tageslicht hatte ihn nicht geweckt, und nun war es schon wieder dunkel. Er fragte sich, ob er heute wieder zur Arbeit gehen musste oder womöglich eine neue Schichtverteilung galt. Niemand hatte ihn angerufen. Also hatte er wohl einen freien Tag gehabt.
Der Wind ließ die Fenster in den Rahmen zittern, deren Farbe abblätterte. Regen prasselte an die Scheiben.
Hustend stieg er aus dem Bett. Er zog an seiner Zigarette, spürte den kräftigen Tabakgeschmack im Mund und sah sich seine Arbeiten im Licht der Nachttischlampe an. Vom Heizkörper an der Wand bis zu dem vernagelten Kamin, unter dem Schreibtisch und zwischen den Beinen des Esstischs lagen überall Zeichnungen und halb fertige Entwürfe herum.
Er legte sich den Mantel um die Schultern und begutachtete mit der Zigarette
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