Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
auskennen, aber nur zwei von ihnen hatten überhaupt von ihm gehört. Sie konnten mir auch nicht mehr erzählen als das, was wir ohnehin schon wussten, und überhaupt nichts zu seinen Kunstwerken. Nur, dass er zusammen mit Mosley während des Krieges als Verräter ins Gefängnis kam.
Bis zur British Library komme ich nicht mehr, nicht einmal zu einer der näher liegenden Filialen. Vielleicht war Hessen ja ein falscher Name. Hat der Teufel nicht verschiedene Gesichter? Und wurde das alles nur erfunden, um uns zu verängstigen? Vielleicht verfolgte er gar keinen anderen Zweck. Es gibt nichts mehr, was mir helfen könnte, ihn zu besiegen. Oder seinen Einfluss einzuschränken, um zu entkommen. Ich habe alles versucht. Der Pfarrer, der zu der sterbenden Mrs. Foregate in Nummer sieben gekommen ist, tut so, als sei ich verrückt, wann immer ich ihn anspreche.
Noch immer sind wir hier und siechen ganz langsam dahin. Wenn man mich mit Gewalt von hier fortbringen wollte, würde ich hysterisch werden. Ich würde schlagartig sterben. Warum nur hängen wir so sehr an unserer armseligen Existenz, mein Liebling? Weil die Angst vor dem Ort, an den ich kommen werde, mächtiger ist als das Glücksgefühl der Befreiung. Und das hält mich davon ab, dir zu folgen. Muss ich nicht fürchten, dass ein willenloser Teil von mir für immer hierbleibt? Dass ich genauso machtlos sein werde, wie diese Dinge da draußen? Dass ich durch die Dunkelheit taumeln und Menschen und Orte und Dinge heimsuchen werde, die mich schon längst vergessen haben?
Apryl schrieb den Namen Hessen in ihr Notizbuch neben die Namen der Hausbewohner, die in Lillians Tagebuch erwähnt wurden. Sie wollte die Hefte einem Psychiater geben, wenn sie wieder zu Hause war. Der sollte ihr erklären, was mit ihrer Großtante nicht gestimmt hatte, und ihr hoffentlich versichern, dass es keine erbliche Krankheit war. Sie hätte wahrscheinlich die Hinweise auf diesen Maler, der Lillian angeblich so gequält hatte, als Unsinn abgetan, wenn sie beim weiteren Lesen nicht immer wieder auf Hinweise auf Reginalds Rolle bei einem Streit gestoßen wäre.
Du warst der Erste, der standhaft war. Der etwas unternommen hat. Ich bewundere dich noch immer, mein Liebling, wie damals, als wir noch zusammen waren. Wir waren uns näher als heute, auch wenn ich mir Tag für Tag versichere, dass du mich bestimmt hören kannst. Das ist das Einzige, was mich am Leben hält.
Im Krieg bist du ein Held gewesen, und du hast auch versucht, uns alle hier heldenhaft zu verteidigen. Du hast dich geweigert fortzugehen, als die anderen das getan haben. Die den Schatten entfliehen wollten, die über die Treppen nach oben kamen oder die Wände entlangglitten und in unsere Zimmer eindrangen wie auch in unsere Träume. Du wolltest dich nicht aus deinem Heim drängen lassen von so einem grässlichen kleinen deutschen Landser, wie Hessen einer war. Genauso wie die Juden, die ihre Familien im Krieg verloren hatten. Aber so hatte ich dich vorher nie reden hören. Es machte mir Angst. Heute weiß ich, dass du auch Angst gehabt hast. Als ich dich sagen hörte: »Wir hätten diese Angelegenheit zu Ende bringen sollen in der Nacht, als er den Unfall hatte.« Wenn ich daran denke, dass wir ihm geholfen haben und ihn überleben ließen, damit er später zurückkommen konnte, um noch mehr Düsternis über uns zu bringen. Das erfüllt mich mit Verzweiflung.
Du hast versucht, das Beste für uns alle zu erreichen. Aber das, was zum Schweigen gebracht wurde, erhob wieder seine Stimme und zeigte sich erneut. Und das tut es immer noch, Liebling. Ich hoffe nur, du kannst es nicht mehr sehen. Die Gewissheit, dass du womöglich unter ihnen bist, würde mich zerbrechen.
Ich wünschte, wir wären gegangen, als es noch möglich war. Warum ist das Schicksal nur so grausam? Nach so vielen Einsätzen bist du immer wieder zu mir zurückgekommen, obwohl zahlreiche deiner Kameraden umkamen. Aber am Ende wurdest du mir doch genommen. Direkt aus meinen Armen. Und vor meinen Augen.
Apryl hatte den Spiegel und das Bild nicht nur umgedreht, sondern hinaus in den Flur gestellt. Sie ließ die Lichter im Schlafzimmer an und lehnte sich gegen die dicken Kissen, die sie in halb aufgerichteter Position hielten, weil sie weder vorhatte noch damit rechnete einzuschlafen.
Oben im neunten Stock wurden die Fenster gelegentlich vom Wind zugeschlagen. Außerhalb der Wohnung war das leise Jaulen und Klappern des Aufzugs zu hören. Manchmal fiel eine
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