Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
Bayswater jedenfalls verbreitete eine Art mediterranen Charme, den sie nur zu gern genießen wollte – jetzt riss sogar der Himmel auf und wurde blau. Das Viertel schien aufs Allerbeste für Besucher aus dem Ausland vorbereitet zu sein. Es gab jede Menge Läden für Koffer und Taschen, Restaurantketten und die üblichen touristischen Attraktionen, aber sie mochte die großen weißen Gebäude und die griechischen Gemüseläden. Sie kaufte Oliven und Humus als Proviant in einem Laden an der Moscow Road, wo alte Männer in blauen Overalls hinter der Kasse saßen und ihr die Sachen in weißes Papier einschlugen.
Nachdem sie in einem russischen Internet-Café am Queensway für eine Stunde bezahlt und sich mit einem Capp u ccino hinter den Bildschirm verzogen hatte, fand sie bei Google gerade einmal drei Websites, die Informationen über einen Maler namens Hessen bereitstellten. Es gab nur einen einzigen Künstler mit diesem Namen, der in den Dreißigerjahren in West-London gelebt hatte. Er war nur wenigen bekannt, aber diejenigen, die ihn noch kannten, schienen begeistert von ihm zu sein. Das war er. Das musste er sein. Und der Vorname des Mannes, von dem ihre Großtante geradezu besessen schien, war Felix. Felix Hessen also.
Ein Autor namens Miles Butler hatte vor einigen Jahren ein Buch über ihn veröffentlicht, deshalb führten die meisten Links zu Rezensionen dieses Werks. Es war im Verlag der Tate Gallery erschienen. Sie schrieb die wichtigsten Daten auf: Miles Butler »Blicke in den Vortex – die Bilder von Felix Hessen«. Es gab auch eine Organisation, die sich »Freunde von Felix Hessen« nannte. Sie residierte in Camden und hatte eine ziemlich durchgeknallte Website. Sie bestand vor allem aus schwarzen und roten Zeichnungen, die offenbar von einem Amateur stammten. Sie las eine überschwängliche Einführung, in der Hessen »ein verdienter Platz in der ersten Reihe der großen surrealistischen Maler« zugewiesen wurde. Seine »Beiträge zum Futurismus« wurden gelobt, und er wurde als »Vorläufer von Francis Bacon« bezeichnet, von dem sie schon einmal gehört hatte.
Sie klickte auf den Link, der zu den biografischen Angaben führte, die über einige Seiten gingen. Beim eiligen Querlesen konnte sie keinen Hinweis auf das Barrington House entdecken. Er war ein Immigrant österreichisch-schweizerischer Abstammung, aber so obskur, wie ein Künstler überhaupt sein konnte. Obwohl angeblich ein »bedeutender Maler«, waren seine Werke zu Lebzeiten in keiner einzigen Galerie ausgestellt worden. Skizzen von ihm, die erhalten waren, lagerten in Amerika in einem Archiv in New Haven.
In der Biografie wurde behauptet, sein Vater sei ein erfolgreicher Händler gewesen, der den jungen Felix auf eine medizinische Fakultät in Zürich schickte. Aus irgendwelchen Gründen waren seine wohlhabenden Eltern dann nach England ausgewandert, und Felix Hessen hatte schließlich bildende Kunst an der Slade-Akademie studiert, wo er sich als Zeichner hervortat. In der Einleitung wurde behauptet, seine Unterstützung einer Organisation namens British Union of Fascists und ein Mann namens Oswald Mosley seien der Grund für eine politisch links stehende Verschwörung in der Kunstszene vor dem Zweiten Weltkrieg, wegen der er in Vergessenheit geraten sei. Hessen war sogar inhaftiert gewesen und zwar während des gesamten Krieges, wegen angeblicher »Handlungen, die die öffentliche Sicherheit gestört und die Verteidigung des Königreichs beeinträchtigt« hätten. Außerdem gab es Spekulationen über Treffen mit hochrangigen Nazi-Vertretern in den Dreißigerjahren – womöglich sogar mit Hitler selbst – , die er für seine Kunst interessieren wollte. Offenbar waren sie von seinen Werken nicht besonders angetan gewesen. Danach war er Propaganda-Experte für die britischen Faschisten geworden, die ihn allerdings auch nicht besonders gut leiden konnten.
Kein Wunder, dass Reginald ihn gehasst hatte.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zog er sich ins Haus seiner Familie in West-London zurück. Nur wenige Zeichnungen aus den Dreißigern waren übrig geblieben, außerdem einige Kopien eines Kunstmagazins namens Vortex , das er herausgegeben hatte. Davon waren lediglich vier Ausgaben erschienen, und es hatte nur sechzehn Abonnenten gegeben. Die Zeitschrift war gedacht als »philosophisches Medium für Ideen, die durch Sprache nicht vermittelt werden können«.
Für Apryl las sich das eindeutig wie die Lebensgeschichte eines
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