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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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der Hyde Park Corner.«
    Apryl nickte und konnte nicht verbergen, dass sie unangenehm berührt war. »Das wäre toll. Sagen Sie einfach, Lillians Großnichte würde gern mit ihr sprechen. Über Familienangelegenheiten und so. Und dass ich sehr dankbar für jede Auskunft wäre. Wenn sie mir ein paar Minuten opfern könnte.«
    Stephen machte sich eine Notiz. »Ich rufe Sie dann an. Oder sage Bescheid, wenn Sie hier vorbeikommen.«
    »Super.«
    »Aber ich kann nichts versprechen. Die alten Leute leben sehr zurückgezogen.«
    »Ich verstehe. Und dann hat sie noch jemanden erwähnt. Ein Maler, der hier mal gewohnt hat. Der hieß Hessen. Muss wohl sein Nachname sein.«
    Stephens Hand, die gerade die Notiz schrieb, hielt kurz inne, aber er sah nicht auf.
    »Haben Sie von ihm gehört?«, fragte Apryl und spürte, wie ihr Magen sich erwartungsvoll verkrampfte.
    Stephen blinzelte, blickte über ihre Schulter hinweg und schüttelte den Kopf. »Ein Maler? Nein, nein. Nicht zu meiner Zeit. Außerdem haben wir keine blaue Plakette draußen am Haus.« Er erklärte ihr, dass in London solche Gedenktafeln an Häusern mit ehemaligen berühmten Bewohnern angebracht wurden.
    »Hm-hm. Das muss ja auch schon sehr lange her sein. Und ich glaube, er war sowieso nicht sehr bekannt. Bestimmt nicht berühmt.«
    Das Telefon auf dem Armaturenbrett klingelte. Stephen griff hastig nach dem Hörer. »Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss den Anruf entgegennehmen.«
    Apryl nickte und versuchte, die Enttäuschung auf ihrem Gesicht nicht allzu deutlich werden zu lassen. »Selbstverständlich. Ich muss sowieso los. Wir sehen uns dann später. Und vielen Dank auch.«
    Sie durchquerte die nasse grüne Landschaft des Hyde Park und suchte nach der Straße namens Queensway. Sie befand sich in Bayswater auf der nördlichen Seite des riesigen Parks, jenseits der Serpentine hinter einem Durcheinander verschiedener Wege und zahlreicher Bäume.
    Sie verließ den Pfad und lief quer über den Rasen, bis ihre Turnschuhe sich mit Wasser vollgesaugt hatten. Das schien ihr der direkteste Weg zu sein. Sie kam an dem monumentalen Albert Memorial vorbei und ging den Kensington Palast entlang, wo Prinzessin Diana gewohnt hatte. Es war erfrischend, die feuchtkalte Luft einzuatmen und normale Menschen um sich herum zu sehen, die ganz normale Dinge taten – Kindermädchen mit Kinderwagen, Kinder in dicken Jacken, vorbeihastende schnaufende Jogger mit geröteten nackten Beinen oder solche, die locker und durchtrainiert waren. Es war nicht nur Einbildung – je weiter sie sich vom Barrington House entfernte, desto fröhlicher war sie gestimmt. Die Last der düsteren Umgebung und der Wohnung mit den überladenen Zimmern fiel von ihr ab.
    Sie warf einen kurzen Blick auf die weißen Hotelgebäude und die regennassen Gärten, arbeitete sich durch den steten Strom von Touristen hindurch und kam zu dem Schluss, dass Bayswater wahrscheinlich der beste Ort in der Stadt wäre, um sich vom Aufenthalt im Barrington House zu erholen. Der Gedanke, noch eine Nacht in dem düsteren Gebäude zubringen zu müssen, machte sie mutlos und nervös.
    Sie hatte Angst davor. Angst vor den fleckigen Wänden, den abgetretenen Teppichen und der unheilschwangeren Stille in der Nacht. Der Wahn, dem die alte Frau allmählich verfallen war, schien das ganze Gebäude erfasst zu haben. Nach und nach war Lillian in dem düsteren Gefängnis ihrer Wohnung und wegen ihrer altersbedingten, immer schlimmer werdenden Demenz in ihren Erinnerungen versunken, die in bestimmten Stunden ein Eigenleben entwickelt hatten. Die psychischen Störungen der alten Dame hatten das Apartment mit schaurigen Visionen infiziert und zu nächtlichen Stunden in ein Treibhaus der Angst verwandelt. Dadurch hatte sich der Schrecken geradezu manifestiert und ihren Verfolgungswahn weiter verstärkt.
    Sie konnte sich nicht genau erklären, wie das passiert war oder wo ihre eigenartige Empfindsamkeit für diese Dinge herrührte. Aber jetzt, da sie diesen ganzen Unsinn abgestreift hatte, fühlte sie sich erleichtert und froh. Es war wirklich erstaunlich, dass ein Ort, der nichts weiter als ein normales Gebäude war, ihren Gemütszustand so sehr verändern konnte. Aber es war so. Die vergangene Nacht war der beste Beweis dafür.
    Sie fragte sich, wie sie ihrer Mutter den Umzug in ein Hotel erklären sollte. Sie müsste noch mehr schwindeln. Schon allein der Gedanke daran machte sie müde. Vielleicht sollte sie später darüber nachdenken.

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