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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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kultiviert … talentiert. Wenn ich so darüber nachdenke, war er ein bisschen so wie ich.« Er sah sie ausdruckslos an, bis sie zu lachen anfing.
    Er hielt ihr den Brotkorb hin. »Er kannte die geistigen Größen und bedeutenden Talente seiner Zeit. Ganz zu schweigen von den vielen schönen Frauen in seinem Umfeld, die ihn hofiert hätten, wenn er es zugelassen hätte. Aber er beschloss, den schwierigen Weg zu gehen. Er hat den Tod gesucht und ihn abgebildet, immerzu. Den Augenblick des Sterbens in einem Krankenhaus, den Tod im Leichenhaus und im Operationssaal. Er war von medizinischen Kuriositäten fasziniert. Deformierungen. Entstellungen. Seine besten Jahre verbrachte er damit, den Tod und den Gedanken des Eingeschlossenseins zu erforschen. Wie es ist, wenn man aufgrund von körperlichen oder psychischen Behinderungen in Gefangenschaft verharren muss. An Wochenenden hat er Totengräber bestochen und ansonsten seine Zeit in Schlachthäusern im East End zugebracht, wo er Skizzen von gehäuteten Schafen und tierischen Abfällen gemacht hat. Oder er hat missgestaltete Gliedmaßen oder Gesichter von armen Schluckern gemalt, die an irgendwelchen Krankheiten oder Behinderungen litten.«
    »Das ist bestimmt nicht sehr amüsant gewesen.«
    »Genau. Und was tat er abends, als er noch ein junger Mann war? Partys feiern jedenfalls nicht. Stattdessen versuchte er, alle Mystiker, Geisterseher und schwarzen Magier kennenzulernen, die es in der Stadt gab. Oder er besuchte irgendwelche Séancen, die in Dachstuben oder Salons abgehalten wurden. Offenbar hat er sich niemals gehen lassen. Oder sich verliebt. Er hat niemals etwas getan, das nicht direkt mit seiner Vision verbunden war. Ich kenne keinen anderen Künstler, der sich so sehr seinem Werk verschrieben hat. Er hat ein Jahrzehnt lang versucht, die perfekte Linie und Perspektive zu finden, um sie dann zu verzerren, weil er der Ansicht war, dies sei die wahre Natur der Dinge. Seine Vision war die Abbildung des Vortex. Des absoluten Inbegriffs der Rätselhaftigkeit, der Furcht und des Schreckens. Ein Ort, der nach dieser Welt kommt, der nur im Traum, im Wahn oder im Unterbewusstsein betreten werden kann und im Tod natürlich.«
    »Glauben Sie wirklich, dass er so gut war?«
    »Schwer zu sagen. Was haben wir von seinen Werken zu Gesicht bekommen? Was hat überlebt? Diese grauenhaften letzten Bilder von Menschen und Tieren, die in unendlich weit ausgedehnten Landschaften gefangen sind. Sehen Sie, ich glaube, dass Hessen vor allem wegen dem interessant ist, was er zu erreichen versuchte. Diese Bilder sind ja nur Skizzen. Pläne für Gemälde, die nie gefunden wurden. Und dann ist er auch noch als Sympathisant des Faschismus mit seinem Vortex-Essay an die Öffentlichkeit getreten – wie könnte ich von so einem Menschen nicht fasziniert sein?«
    Apryl lächelte. »Sie haben mich überzeugt. Wie war doch gleich noch sein Name?«
    »Passen Sie auf, dass ich nicht rüberkomme!« Er hob die Augenbraue auf eine Art, die sie absolut betörend fand.
    »Ich habe bei Amazon nachgeschaut, aber da war nur das Buch von Ihnen zu finden.« Sie verzichtete darauf, die zahlreichen schlechten Besprechungen der »Freunde von Felix Hessen« zu erwähnen.
    »In unserem Land kümmert man sich viel zu wenig um das eigene künstlerische Erbe. In Amerika findet man viel mehr Arbeiten über britische Künstler und Poeten des 20. Jahrhunderts. Das hat eine gewisse Ironie, ich weiß, aber über ihn gibt es hier überhaupt nichts zu finden. Aber da wäre auch wenig, womit man anfangen könnte. Hessens Beitrag zur Moderne ist schwer einzuschätzen. Das ist das Problem. Die Mythen, die um ihn gestrickt wurden, sind lebendiger als die tatsächlichen Beweise für seine Fähigkeiten oder Einflüsse. Abgesehen von den hinterlassenen Zeichnungen ist nichts vorhanden. Wenn er diese Skizzen zu Gemälden ausgearbeitet hätte, wäre es etwas anderes. Aber Skizzen und Kohlezeichnungen reichen nicht aus. Einige sind wirklich außergewöhnlich, ich weiß, sie deuten auf eine wirklich große Vision hin. Aber ich bezweifle, dass sie jemals verwirklicht wurde. Bis auf einige seiner Bekannten hat niemand ein Gemälde von ihm zu Gesicht bekommen. Und man muss wohl auch diese Zeugnisse mit einer gewissen Skepsis betrachten. Denn Tatsache ist, dass jeder von ihnen etwas völlig anderes gesehen hat.«
    Miles nahm einen großen Schluck von seinem Wein. Sie mochte es, wie sein Gesicht sich rötete, wenn er voller Begeisterung

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