Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
beim Allmächtigen. Und dann werde ich den Schutthaufen zu Staub zermahlen.«
Der Penner lachte und hielt ihm die schwarze Dose hin. Seth hatte Kontakt aufgenommen. Er war durchgekommen. Sie sahen beide das Gleiche. Sie sprachen jetzt die gleiche Sprache und teilten die gleichen Ansichten über diesen Ort.
Das passiert, wenn man den Notruf wählt und die Polizei sprechen will. Es dauerte ewig, bis der Anruf endlich entgegengenommen wurde. Und dann meldete sich eine Tonbandstimme und erklärte, alle Leitungen seien belegt. Seth spürte, wie sein Brustkorb sich anspannte vor Ärger. Die Botschaft war klar: Sieh zu, dass nichts schiefgeht und dir nichts passiert, denn es wird dir niemand helfen, es ist alles nur ein leeres Versprechen. Aber traf das etwa auch auf die Polizei zu?
Seth legte auf. Schleuderte den Hörer auf die Konsole, dass der ganze Apparat vom Regal auf den Boden fiel.
Sprachlos vor Wut und Schmerz, ging er in die Hocke und wippte vor und zurück, die Arme um den schmerzenden Oberkörper geschlungen, die geschwollene Hand noch immer taub. Er weinte bittere Tränen, bis das Schluchzen wehtat und er damit aufhören musste. Wenn man weint, werden die Bauchmuskeln, die Lungen, der Hals, das Gesicht und sogar die Wirbelsäule beansprucht: Das wurde ihm erst jetzt bewusst, als er merkte, dass er zu zerschlagen war, um weinen zu können. Seine Angreifer hatten sogar die Fähigkeit zu trauern aus ihm rausgeprügelt. Er musste sein Leid einfach hinnehmen, durfte sich nicht beklagen, so weit reichte ihre Macht.
Er spürte seine lockeren, blutigen Zähne. Blutbläschen bildeten sich auf seinen Lippen. Fantasiebilder tauchten in seinem Kopf auf. Hässliche Visionen, in denen dieses rothaarige Wiesel vor seinen Augen eines langsamen Todes starb. Das wäre das Letzte, was er zu sehen bekam, er hatte ein Recht darauf. Und der schwarze Kerl, der Seth am Kragen gepackt hatte, um ihm mit der Faust die Zähne einzuschlagen, würde geschlachtet werden. Und allen anderen großkotzigen Arschlöchern würde es genauso ergehen.
Zuerst versuchte er noch, sich auf das Bett zu legen, aber die Kissen und die Matratze und das Betttuch brannten auf seiner Haut, als wäre er ausgepeitscht worden. Er hockte sich vor den Heizkörper, aber der Fußboden war gnadenlos hart. Auch den Stuhl konnte er nicht benutzen und aufrecht stehen war eine Tortur. Er zerkaute einige Schmerztabletten, doch sie richteten nicht mehr aus als winzige Feuerwehrmänner, die dünne Wasserstrahlen auf eine tosende Flammenwand richteten, deren Hitze alles, das Feste wie das Flüssige, in ein peinigendes Gas verwandelt.
Das Einzige, das ihn beruhigte, waren Fantasien über das, was er mit diesen Schlägern machen würde, wenn er sie zur Strecke gebracht hatte. Er musste unbedingt verhindern, dass der Heilungsprozess und die Zeit seine mörderischen Gelüste linderten. Er durfte seinem Gedächtnis nicht erlauben, ihre hässlichen Gesichter zu vergessen. Diese Hundefratzen. Diese viehischen gelben Augen.
Seth kroch über den Teppich und suchte nach Papier und Stiften. Ein Auge wurde trüb und tränte. Er konnte kaum die Linien oder Umrisse erkennen. Es war zu dunkel im Zimmer. Und der Zeichenblock war viel zu mickrig, um die hässlichen Visagen, die er im Kopf hatte, in ihren ganzen Ausmaßen festzuhalten, diese universellen Fratzen der Grausamkeit und Unmenschlichkeit.
Er konnte sich nichts anderes vorstellen, als eine sehr große Abbildung dieser degenerierten Parasiten der Menschheit, die das genaue Gegenteil von Vernunft, Talent und Fortschritt darstellten. Ein solches Werk musste mit langen, dicken, einfachen Strichen realisiert werden, ohne jede Feinheit. Blaue Fäuste. Tommy Hilfiger. Rohes Fleisch. Gucci. Schwarze Lippen. Stone Island. Gelbe Augen. Rockport.
Am liebsten hätte er gebrüllt wie ein Löwe, der auf dem Zementboden eines Käfigs sein Dasein fristet. Und gebellt wie ein Eisbär, der sein gelbes Fell an den Wänden seiner Zelle im Zoo so abgewetzt hatte, dass man schon die Haut sehen konnte. Ekel und Empörung mussten unmittelbar zu spüren sein. Als würden es die Kerkerwände ausschwitzen. Versenge die Decke mit schwarzem Hass! Befreie den Zorn! Hör auf zu verzeihen! Das Mitleid ist tot.
Seth schraubte die Farbdosen auf und begann, mit feuchten Händen die Wände zu bearbeiten.
17
Miles Butler lächelte. »Aber ich verstehe noch immer nicht, warum Sie sich für Hessen interessieren.« Apryl glaubte, in seinen intelligenten Augen
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