Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
die Augen von dem Gemälde abzuwenden oder auch nur zu blinzeln. Was war das? Dieses zerrissene Ding mit einem Gesicht, das von einem Schwall weißer Farbe weggewischt worden war. Instinktiv spürte er die von dem Dargestellten ausgehende irrwitzige Panik. Und fühlte sich mit dem brutal dargestellten Verfall dieser Figur verwandt, mit ihrem Verlust des eigenen Selbst und ihrer fortschreitenden Zerstörung.
Was dort abgebildet war, ähnelte weder einer menschlichen noch einer tierischen Kreatur. Aber es erinnerte an beides. Es gab Einzelheiten, die er klar erkennen konnte – das geöffnete heulende Maul, von einem Blutfilm überzogene Zähne, eine überdimensionierte, lappenartige Zunge, die Andeutung einer verdrehten würgenden Kehle, ein Auge oder etwas, das einem Auge ähnelte, aber an der falschen Stelle eines verzerrten Kopfes positioniert war, weit aufgerissen angesichts eines unendlichen Schreckens und einer Qual, deren Ausdruck Seth keine Sekunde lang ertragen konnte. Er wollte unbedingt, dass dieses Bild wieder verdeckt wurde, vor allem wegen dieses blutunterlaufenen Auges mit der feuerroten Pupille, das kurz vor der Explosion zu stehen schien. Trotz der Verfremdung durch das nicht mehr vorhandene Gesicht wirkte es unglaublich real.
Wer auch immer diese Gestalt gewesen war, sie war nun zerstört. Die Reste des Anzugs und der Krawatte hingen immer noch an ihr wie eine grässliche Parodie einstiger Förmlichkeit, aber die Gliedmaßen waren verschwunden. Zerschlissene Stümpfe inmitten einer schlammigen Aura, die ihre Verstümmelung auf merkwürdige Art zu heiligen schien.
Dies waren die Agonien des Todes. Sie hingen dort inmitten dieses schwarzen Raums für alle Ewigkeit. Mit Leben hatte das nichts zu tun, aber es wirkte irgendwie lebendig. Eine leere Bewegung nach dem Tod, die sich unendlich lange hinzog. Er verstand sofort, was das bedeutete.
Seth wandte diesem Abbild ewiger Qualen einer von fadenscheinigem Gewebe umhüllten fleischigen Gestalt den Rücken zu. Aber er spürte eine Art Euphorie, eine Hochachtung für jenen Künstler, dem es gelungen war, diesen Höhepunkt des Terrors, diesen unendlich langen Augenblick der Auslöschung einzufangen. Er dachte an seine eigenen Zeichnungen, die auf dem zerschlissenen Teppichboden in seinem Zimmer über dem Green Man lagen. Erinnerte sich an den Jungen mit der Kapuze aus seinem Traum, der über eine mit Hundekot übersäte Wiese und eine vollgepisste Betonfläche gelaufen war und verrückte Kindergeschichten über das Eingeschlossensein nach dem Tod erzählt hatte. Gefangen für eine lange Zeit. Bis die Dunkelheit kommt. War das hier die Dunkelheit?
Das nächste Bild war knapp zwei Meter hoch und ein Meter zwanzig breit. Es traf auf seine angespannte Wahrnehmung wie ein Eimer mit eiskaltem Wasser, mit dem man völlig unerwartet übergossen wird, und löste völlige Desorientierung und Verständnislosigkeit aus. Es lähmte alles in seinem Innern bis auf die Stromstöße des Terrors. Und das war sein einziger Zweck: Es sollte etwas zeigen, dessen Anblick nur ein Wahnsinniger aushalten konnte.
Nachdem er wieder zu Atem gekommen war und einigermaßen die Balance halten konnte, obwohl er noch immer zitterte, bemerkte er den Hintergrund, in dem die Gestalt sich aufzulösen schien. Die Darstellung von Gewalt und Zerfall war nichts im Vergleich zu den Tiefen, die sich dahinter auftaten. Mit augenlosen Pavianschnauzen und auf grausige Weise in eine Art geblümten Hausmantel verheddert, hing eine blutige, feuchte Gestalt in vollkommener Dunkelheit. Eine absolute Leere, die gleichzeitig das Gefühl eines eiskalten Raumes vermittelte, einer unfassbaren Tiefe und immerwährenden Weite. Es war ein großartiger Umgang mit der Farbe, dachte Seth lächerlicherweise, während er das Bedürfnis verspürte, angesichts dieser überdimensionalen Blasphemie in Gelächter auszubrechen. Eine Fläche im Hintergrund, die das Objekt davor herauszudrücken schien, es beinahe zu Fall brachte, sodass es sich jeden Moment auf dem Boden wälzen und mit den Klauen um sich schlagen könnte, in einer Agonie, die so lange dauern würde, dass ein Jahrhundert nur als Anfangssekunde zählen konnte.
Ja, er wusste jetzt, dass er hier etwas zu Gesicht bekam, das aus einer endlos tiefen eiskalten Dunkelheit an die Oberfläche gedrungen war. Einer Ewigkeit, in der schreckliche Dinge bewahrt wurden, die gelegentlich nach oben trieben, um für den Bruchteil eines Augenblicks einen Stecknadelkopf Licht
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