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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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hin Rufus anhoben und schließlich auf den Rücken drehten, dachte Kasi über dieses komisch nach und als Rufus schließlich mit unter dem Rücken eingeklemmten Arm vor ihnen lag, wusste er auch, warum er sich so seltsam anfühlte. Das da sah immer noch aus wie ein Mensch, wie Rufus, stellte aber nicht mehr als ein kaltes Ding dar, ein Etwas, dem jede Kraft und Spannung fehlte. Diesem Körper fehlte alles das, was Leben auszeichnete: Wärme, Farbe, Energie. Leben.
    Gerade, als Kasimir dies für sich geklärt hatte, sah er in Rufus’ Gesicht. Das unvermutete Zusammentreffen mit Rufus’ totem Augenpaar schaltete praktisch im selben Moment eine Art Rührgerät im Magen des Jungen an. Er drehte sich weg, aber zu spät. Kasi rutschte die Halde hinunter, schaffte es aber nicht mehr bis in den Fässerraum. Er würgte und spuckte grünen, bitter schmeckenden Schleim auf Alex’ Schwert und zerbrochene Lanzen. Rufus’ Gesicht sah aus wie eine Maske aus einem Horrorfilm.
    Auch Alex drängte sich dieser Vergleich beim Anblick des hervorquellenden Augenpaares auf, Augen, die durch ihn hindurchsahen und in denen man auch jetzt noch, bald dreißig Stunden nach ihrem Brechen, den Schmerz und die Überraschung erkennen konnte, die Rufus im Augenblick seines Todes gefühlt haben musste. Wie, ich bin jetzt tot? , fragten sie und weit und breit niemand, der Rufus widersprach. Alex wollte nicht hinsehen, aber er konnte nicht anders. Rufus’ Gesicht zog Alex’Augen an, als gäbe es zwischen ihnen eine unsichtbare Verbindung, dünne Schnüre, die das eine mit den anderen verbanden. Denn Alex sollte dies hier sehen, diese Augen und einen offenen Mund, aus dem eine aufgequollene Zunge hing. Auch im Gesicht überall Kratzer und an der Stirn eine größere Wunde.
    So also sah der Tod aus.

    Gemeinsam drehten sie Rufus, bis dessen Kopf die Halde hinabzeigte. Jeder der beiden Leichengräber nahm einen Arm. Sie versuchten, Rufus’ Oberkörper und damit seinen Kopf etwas anzuheben, damit dieser nicht über die Steine rutschen musste, aber der Leichnam wog Tonnen, selbst ein einzelner Arm erreichte annähernd das Gewicht eines kompletten lebenden Kindes. Sie zerrten an Rufus und brachten ihn mithilfe von Schwerkraft und wegrutschendem Untergrund an den Fuß der Halde. Das ist nicht Rufus, versuchte sich Kasi einzureden, das ist nur ein Sack voller Mehl. Und wenn der Kopf eines Sackes über Steine holpert, ist dies nicht weiter schlimm. Gott wird es verstehen.
    Am Fuß des Schuttberges wollte Kasi stehen bleiben, aber Alex zog einfach weiter. Er wollte die Sache hinter sich bringen und Rufus endlich aus den Augen haben und ihn niemals wieder anfassen. Sie zerrten ihn an die vorher ausgesuchte Stelle und legten ihn da ab.
    » Und jetzt Steine.«

    » Also, auch wenn Alex’ Handy ausgeschaltet ist, kann es die Polizei von oben ordnen?«
    » Orten! Wie oft soll ich es dir denn noch erklären, das heißt orten , wie der Ort . Von daher kommt das Wort auch, glaub ich.«
    Timi sah zu seinem großen Bruder auf. Wie viel der wusste! Max gab dem Kleinen eine lieb gemeinte Kopfnuss und lachte.
    Nachdem Alex und Kasimir diesen Raum verlassen hatten, wollte Timis großer Bruder schlafen. Er hatte sich an die Wand gelegt, den Rucksack unterm Kopf und Timi in den Arm genommen. Wegen der Wärme, erklärte er dem Kleinen, als müsse er sich für den engen Körperkontakt entschuldigen. Timi genoss diese Nähe, auch jetzt noch, schlafen aber konnte er nicht. Tausend Dinge gingen ihm durch den Kopf: Wie spät mochte es jetzt sein, was machten Mama und Papa gerade, was hatte es heute zu essen gegeben … Dazwischen stellte er unentwegt immer wieder die gleichen Fragen: Wie lange dauerte es, bis der Erste von ihnen verdursten würde? Wie lange dauerte es noch, bis man sie endlich fand? Max’ Meinung nach sollte Letzteres am nächsten Tag stattfinden und er erklärte dem dummen Hosenscheißer , dass die Polizei den Aufenthaltsort eines Handys feststellen konnte.
    » Die senden Funkwellen aus, über Satellit, glaub ich.«
    » Und der kann ganz genau erkennen, wo wir sind? Woher will der wissen, dass wir hier unter der Ruine sind und nicht oben auf dem Turm?« Max kratzte sich am Kopf. Timi wusste, dass er Max mit dieser Frage ins Grübeln brachte, wollte sich schon entschuldigen, da fiel Max etwas ein. Er schob Timi zur Seite, stand auf und stellte sich etwas links in den Raum.
    » Vor ein paar Wochen hatten wir das im Unterricht. Wenn ich es noch richtig

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