Apokalypse auf Cythera
eines Verdachts, wer das getan haben mochte. Und den Grund würde sie wohl niemals erfahren, denn es gab nur eine einzige Sorte von Menschen, die Konna Pander kannten und die er kannte. Es waren Freunde. Oder zumindest gute Bekannte. Er war nicht der Mann, der Feinde hatte. Schlagartig stellte Digen dann andere Überlegungen an. Als sie an Spione von Baudelaire dachte, hielt sie inne und sagte sich, daß sie im Begriff war, wahnsinnig zu werden.
Sie stand auf, wanderte durch die Wohnung und schaltete dann gedankenlos das Nachrichtengerät ein. Sie blendete mitten in eine Sondersendung ein.
»... Konna Pander, neununddreißig Jahre alt, wurde heute tot gefunden. Alle Anzeichen deuten auf ein Verbrechen hin, aber die näheren Umstände sind vollkommen unklar. Seit geraumer Zeit tauchte Pander vor dem Hafen Calagrana, um die Mutationen der siebzehnten Filia-Generation bestimmter Fische zu beobachten, die für die Ernährung von Cythera Minor Nova in einigen Jahren eine große Rolle spielen werden ...
Inzwischen wurde festgestellt, daß seine Karte fehlt. Sie kann fehlen, aber auch durch die Einwirkung der Säure aufgelöst worden sein ...«
Die Sprecherin machte eine Pause, nahm den Hörer eines Telesonars ab und lauschte.
»... soeben erfahren wir von Rufer Exaspere, daß sich der Kunststoff, der für die Karten verwendet wird, weder in Säure noch in Lauge auflöst. Die Folgerung, daß die Karte gestohlen wurde, liegt also auf der Hand. Wir bringen Ihnen jetzt Bilder von der Unglücksstelle und einen Kommentar ...«
Digen Ancyle schaltete ab.
»... Folgerung, daß die Karte gestohlen wurde, liegt also auf der Hand. Wir bringen Ihnen jetzt Bilder von der Unglücksstelle und einen Kommentar ...«
Stapen Crau schaltete ab.
»Die Jagd beginnt!« sagte er, nahm seine Tasche und verließ das Zimmer. Er gab den Schlüssel ab, nickte dem Mann an der Rezeption zu und fuhr mit dem nächsten Lift abwärts. Er ging gemessenen Schrittes zur Bahnstation, betrat einen Zug und wußte, daß er das beste Ziel gewählt hatte.
Sigma Taureau, Apartment A 16.
A bedeutete Ebene. Also ein Apartment, das unmittelbar unter der ersten Decke lag, noch vor den wuchtigen Pfeilern. 16 bedeutete die Staffelung. Es war das achte Apartment auf der Außenseite der Stadt, gezählt vom bodengleichen Anfang der Spirale an.
Das Apartment, das Konna Pander bewohnt. Nein, korrigierte sich Stapen. Bewohnt hatte.
Nachdem der Profoß die Wohnung durchsucht hatte, würde niemand wagen, in das Apartment einzudringen.
Dort konnte er den fünften und die folgenden Tage in Sicherheit sein. Auf der Station Sigma Taureau warf er die Karte in einen Abfallkonverter.
Ab jetzt konnte er nichts mehr kaufen, keine einzige Dienstleistung fordern. Er konnte nur noch die öffentlichen Verkehrsmittel, die Toiletten, die Waschkabinen und Schließfächer, die Handtuchautomaten und die Zeitansage benutzen. Und die Wohnung seines Opfers. Als er den Teil der Stadt übersehen konnte, in dem das Apartment lag, bemerkte er die Kopter der Polizei, die vielen Uniformierten und die kleine Menschenansammlung.
Er wartete geduldig.
Rufer Exaspere, ein fünfzigjähriger Mann mit den unruhigen Augen eines Greises, war im Aufblitzen der letzten Bomben geboren worden. Seine Hautmutation und die des Haares waren die Folgen von Strahlenschäden, denen er direkt ausgesetzt worden war, und sekundärer Einflüsse. Der breite blutrote Streifen verlieh ihm etwas Dämonisches. Langsam schaukelte er in Digens größtem Sessel hin und her.
»Wollen Sie es hören?« fragte er.
Sie befand sich in ihrer Wohnung. Sie spielte nervös mit dem durchsichtigen Schächtelchen, in dem der Käfer zusammengerollt über das nicht mehr frische Blatt taumelte.
»Ja. Was ist passiert?«
Rufer holte tief Luft. Seine silberfarbene Haut glänzte wie schweißüberströmt. Der erste Mord seit einem knappen halben Jahrhundert hatte das Interesse der meisten Menschen wachgerüttelt.
»Es war, indirekt, Mord!« stellte Rufer fest.
»Wer war es?«
Rufer hob die breiten Schultern und ließ sie wieder sinken. Sein Haar, das bis zur Mitte der Stirn ausgefallen war, hing weit in seinen Nacken. Es war ebenso silbern wie die Haut.
»Wir wissen es nicht. Folgendes hat sich, unseren Ermittlungen nach, abgespielt: ein Mann kam an Bord. Oder auch eine Frau. Er sprach mit Konna Pander und schlug ihn nieder; entsprechende Spuren fanden wir. Dann wurde Konna in seiner Kabine gefesselt. In seinem Gewebe fanden
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