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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Wettbewerb beteiligen sollen. Schließlich hat nicht jeder so etwas wie wir hier direkt vor der Haustür.« Sie ging ein paar Schritte weiter und zeigte nach oben. »Dort auf den Felsvorsprung müssen wir.«
    Er folgte ihr, während er sorgfältig auf seine Schritte achtete. Einmal kam er ins Rutschen. Mit den Armen rudernd gelang es ihm im letzten Moment, sich an einem Rebstockpfahl festzuhalten.
    »Hier ist ein Puppengespinst.« Hannah winkte ihn heran. Sie beugte sich über ein dichtes Sedumpolster. »Sehen Sie. Und da ist noch eins.« Sie hob den Kopf und sah ihn an mit einem Lächeln, das ihm tief unter die Haut kroch. »Dieses Jahr sind die Apollofalter später dran als sonst. Weil es so kalt ist.«
    Er ging näher an das Sedumgewächs heran und beäugte es neugierig. Erst nach einer geraumen Weile konnte er zwischen den kleinen fleischigen Blättern die grauen Puppenhüllen ausmachen. Vielleicht hatte er Glück und er würde den Schmetterling tatsächlich schlüpfen sehen. Allerdings dürfte er sich dann nicht vor diesem beschwerlichen Weg scheuen.
    Er richtete sich wieder auf und zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch. Inzwischen war es noch kühler geworden. Der Himmel hatte seine Farbe verändert. Die Sonne begann zu sinken und tauchte Wolken und die gegenüberliegenden Hügel in ein rotgoldenes Licht.
    Hannah schaute andächtig und reckte das Kinn. »Sehen Sie nur, diese Farben.« Sie holte weit mit der Hand zu einer alles umspannenden Geste aus. »Haben Sie jemals einen solchen Anblick erlebt?«
    Das beängstigende Schwindelgefühl war verschwunden. Dieses Farbenspiel hoch über dem Fluss war tatsächlich etwas ganz Besonderes. Auch, weil er es mit ihr zusammen wahrnahm. Mit ungeahnter Intensität spürte er ihre Gegenwart. Ewig hätte er so stehen bleiben können.
    »Wollen wir wieder?«, unterbrach sie den feierlichen Moment. »Bleiben Sie am Besten dicht hinter mir.«
    Er tat wie geheißen. Dabei blieb es nicht aus, dass ab und an seine Hand ihren Körper streifte.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte sie plötzlich.
    »Nein.« Sofort fühlte er sich vollkommen ernüchtert.
    »Und eine Frau?«
    e r schüttelte den Kopf. Ihm war unwohl bei diesem Gesprächsthema. »Und du?«, lenkte er ab. Eine Frage, die alles Mögliche bedeuten konnte.
    »Was meinen Sie? Ob ich einen Freund habe?«
    »Beispielsweise.«
    »Keinen richtigen.« Sie wich seinem Blick aus.
    »Du musst mir nichts davon erzählen, wenn du nicht willst«, sagte er schnell. Auf keinen Fall wollte er den Eindruck erwecken, er dringe in sie.
    »Die meisten Jungs in meinem Alter sind doof«, sagte sie. »Und für die älteren bin ich uninteressant, weil ich so kindlich aussehe.« In ihrer Stimme lag ein Gemisch von Sehnsucht und Resignation.
    Inzwischen waren sie unten auf dem asphaltierten Weg angelangt und schlenderten nebeneinander her.
    »Mich würde interessieren, was du in der Schule sonst noch so machst. Ich kann mir vorstellen, dass du eine ziemlich gute Schülerin bist, oder?«
    »Na ja.« Sie kräuselte die Nase. »Manche halten mich für eine Streberin.«
    »Es gibt immer Neider auf der Welt«, sagte er. »Menschen, die neidisch auf das sind, was sie selbst nicht haben. Das gilt nicht nur für Besitztümer. Sie sind auch auf das neidisch, was andere im Kopf haben.« Meine Güte, was sollte diese Doziererei? Er klang wie einer, der das Leben kennt und anderen etwas beibringen will. Ausgerechnet er.
    »Da haben Sie wohl recht.« Sie seufzte. »Lernen interessiert mich. Ich tue das auch nicht, um mich besonders hervorzutun. Oder mich bei den Lehrern einzuschleimen. Es macht mir einfach Spaß. All das Neue, das es zu entdecken gibt. Es ist eine so große ...«, sie suchte nach einem passenden Wort, » ... ein so großer Reichtum, wenn man all diese interessanten Dinge kennen lernt. Zurzeit nehmen wir die griechische Mythologie durch. All die Götternamen und diese Sagen, die damit verbunden sind und wie vieles miteinander zusammenhängt. Der Naturforscher Carl von Linné hat unserem Schmetterling den Namen Parnassius Apollo gegeben, weil er so schön ist. Und weil der Gott Apoll im Parnassgebirge zu Hause war.«
    Er lächelte sie an. Ach Hannah, kleine kluge Hannah. Was für ein unvermutetes Geschenk du bist. » Durch mich wird Zukünftiges, Vergangenes und Gegenwärtiges offenbar, durch mich tönt harmonisch das Lied zu den Klängen der Saiten. Sicher trifft mein Pfeil «, rezitierte er.
    Hannah sah ihn neugierig an. »Wer hat das gesagt?«,

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