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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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so ähnlich wie wir schon mal beim Waldfest die Ambosspolka getanzt hatten. Nur dass er dazu den Bauch einzog, als hätte er Leibschmerzen, und die linke Hand hoch ins Leere streckte, als warte er, dass ihm jemand eine Schachtel Zigaretten hineinlegt. Mit der Rechten haute er sich wie ein Verrückter auf den Bauch und schüttelte sein fettiges Haar im Takt, als hätte er sie nicht mehr alle. Das war mir wirklich zu viel. Nicht mal beim Theo in der Waldeslust gab es einen Schnaps, nach dem man sich so benehmen musste.
    – Er spielt Luftgitarre, mach dir nichts draus, sagte Stefanie, das habe ich schon mal gesehen.
    Aber leider hatte das außer Stefanie noch niemand gesehen, vielleicht die Amis und noch zwei, drei Leute aus der Oberstufe. Die Leute schauten Jim an, als hätte er eine unbekannte Krankheit aus dem Ausland eingeschleppt. Womöglich war er vorher in Vietnam eingesetzt gewesen. Oder er war russischen Agenten zum Opfer gefallen und seltsamen Experimenten ausgesetzt gewesen. Vielleicht hatte er mit eigentümlichen Giften herumprobiert. Niemand wusste, was Jim da auf der Tanzfläche trieb, und ich konnte nur erschüttert zusehen und mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer der Erfinder der Luftgitarre gewesen sein sollte und welchen Zweck dieser Auftritt hatte. Jedenfalls war es mein Jim, der ihn zum allerersten Mal im Westerwald zum Wohle aller dargeboten hatte, und niemand, der dabei war, sollte es jemals vergessen.
    Nach Lydias Offenbarung seines baldigen Manövers und seiner unnachahmlichen Luftnummer, bei der er auch noch auf die Knie fiel und die Gitarre auf dem Rücken weiterspielte und schrie: The fire in the sky, war ich auf einmal irgendwie geläutert. Als sei mir eine Brille von der Nase gefallen. Oder wie meine Mutter Marianne sagte: Wenn man jung ist, hängt der Himmel voller Geigen, und jedes Jahr fällt eine runter. Genau das war in jenem Augenblick geschehen. Es hatte sich eine Geige vom Himmel gelöst.
    Jim hätte sich mal die Haare waschen können, und ein Friseurbesuch hätte auch nicht geschadet, und man musste nicht um halb neun Uhr abends schon so betrunken sein, wenn man seine Freundin erwartet.
    – Blödmann, entfuhr es mir, und Bea meinte, ach ja, es gibt so viele Idioten auf der Welt, die können ja nicht alle in Linnen und Böllsbach und Scholmerbach wohnen. Die gibt es sogar in Amerika und … wir sind doch alle ein bisschen bluna.
    – Genau, sagte Brigitt. Alle ein bisschen balla-balla.
    – Bei uns ist in der Kirmesnacht jeder so, sagte Stefanie.
    – Ja, und wer nicht so ist, sagte Bea, der fällt auf.
    – Böse auf, sagte Brigitt.
    – Ich weiß nicht, sagte ich. Es ist nicht dasselbe wie Lady Bump.
    – Ach komm, die Les Humphries Singers waren doch auch …
    – Ja eben … auch … bluna …
    – Und balla …
    Ich hatte auf einmal die Idee, mit Bea, Stefanie und Brigitt nach Ellingen in die Disco mit den Stanniolgrotten zu fahren und Jim mit seinen Luftnummern alleine balla sein zu lassen. Man musste auch nicht allen Quatsch mitmachen. Da wollte ich nicht mit gesehen werden. Konnte er ja seiner Lydia zeigen. Pfft. Der Hellersberger Klaus fuhr zufällig dorthin und nahm uns mit. Leider war in den Stanniolgrotten kein Discjockey, es spielten nur Resi and the Hot Fives, aber das war uns auch egal. Resi and the Hot Fives trugen alle schwarze Afro-Perücken, hatten dunkelviolette, leuchtende Blusen und weiße Hosenanzüge an und Stiefel mit Plateausohlen und sangen: »Ole, der Straßenmusikant.«
    Wir mochten lieber die Stones oder Smokey, und Brigitt mochte immer noch Showaddywaddy. Sie hatte daheim sogar immer noch ein Kopfkissen, da war David Cassidy draufgebügelt. Wir tanzten lange und hingebungsvoll mit Armschlenkern und Verdrehungen untereinander weg auf Fleetwood Mac und machten Bögen mit den Ellenbogen und glaubten, dass der ganze Saal unser geheimnisvolles und anmutiges Tun bewunderte. Aber leider sangen ja nur Resi and the Hot Fives: »Immer wieder sonntags, kommt die Erinnerung« oder irgendwas von Adamo.
    – Habt ihr jetzt ernstlich Krach oder was?, fragte Brigitt beim Orangen-Flip.
    – Nee, aber ich musste mal abhauen. Weißt du, er geht ins Manöver und hat mir nichts gesagt. Nichts! Lydia Kosslowski hat er sich anvertraut, aber mir nicht. Weißt du was, sie darf im Sommer nach Spanien, wir fahren ja immer nur ins Allgäu.
    – Vielleicht ist das Manöver ja in Spanien … haha!, lachte Stefanie.
    Dieser Witz war nicht komisch, und mir wurde einen

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