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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Stützbalken und dazu das Schreien der Leute, die einander suchten oder ihre Toten fanden.
    Egon und die anderen Jungen räumten auf Geheiß des Unterscharführers Steine aus den halben Häusern, damit Mütter und Kinder schlafen konnten, und die alten Bergleute prüften die Festigkeit der Balken, damit kein Dach über den Müttern einstürzte, und so vergingen die ersten Tage damit, einen Ort zu finden, wo niemand im Schlaf erschlagen oder vom Sturm oder vom Regen erfasst wurde. Auch Egon und seine Freunde schliefen in den Trümmern unter ein paar dünnen Decken, und als sie schweigend zwischen den alten Bergleuten hockten, wurde es ihnen ganz anders. Im Winter 1944 war es kalt, und auch im März fror es noch in den kaputten Häusern, und die vielen greinenden Alten und Brandopfer und Verwundeten waren ein schrecklicher Anblick. Man konnte vor Grauen nur flüstern.
    – Siehst dou, Bubchen, sagte der alte Hanjokeb. So ist das im Krieg. Wie wir dumols im Schützegraben gelegen haben, bei Frankreich und nur im Dreck und im Schlamm … und dann haben se neben dir gelegen … die besten Kameraden … tot und verwundet … links und rechts … der Krieg ist … was Furchtbares … mein Junge … kalt und hässlich und grausam …
    – Ja, sagte Egon,… man muss aber doch fürs Vaterland.
    – Ja sicher, sagte Hanjokeb, fürs Vaterland muss man … auch den Heldentod …
    – Den Heldentod, sagte Hanjokeb bitter. Wofür dann eigentlich.
    – Aber Hanjokeb, flüsterte Egon, wegen dem Ruhm und der Ehre für Deutschland!
    – Ach, Bubchen, sagte der Hanjokeb. Ehre. Siehst dou hier irgendwo Ehre rumlieche … hier bei dene Frankfurter? Da hast dou deine Ehre, alles uffem Hund, die schöne Oper, der alte Römer, die ganze schöne Kaufhäuser … alles dem Erdboden gleich … jetzt komme se alle gekroche, wer noch kann … un wofür dann das alles?
    Der kleine Egon schwieg.
    Morgen wollten sie einen großen Stollen vom Holzgraben bis zum Liebfrauenberg graben und räumen, was zu räumen ging. Egon taten schon die Hände weh von den vielen Steinen und die Knie und die Knochen auch, denn er schlief so schlecht auf dem kalten Boden, und sein schönes Hitlerjungenhemd und die gute Hose waren ruiniert. Es gab nichts rechtes zu essen in Frankfurt. Der Reichsarbeitsdienst brachte Erbsensuppe und Brot, aber die Frankfurter hatten gar nichts, die Frankfurter hatten immer nichts, noch nie, und schon bald hatte Egon Hunger auf die kräftigen Bratkartoffeln mit Eiern und Speck von seiner Großmutter Charlotte und das Sauerteigbrot und den Käse aus der Kirn, mit Zwiebeln und Kümmel, und auf die gebratene Wurst und das Stückchen Braten, das es am Sonntag gab. Da war er froh, dass sie nach ein paar Tagen wieder zurückfahren durften, die alten Bergleute und die Buben von der Hitlerjugend. Sie hatten geholfen, wo sie nur konnten, damit die Kinder ein wenig besser schlafen konnten und weniger Steine im Wege lagen.
    Und Egon beschlich ein komisches Gefühl, was das Lied bedeuten könnte:
    Vorwärts! Vorwärts! Schmettern die hellen Fanfaren, Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren. Deutschland, du wirst leuchtend stehn, mögen wir auch untergehn.
    Meine Großmutter Apollonia traute ihren Augen nicht, als der Kriegsgefangene Nikolai ihr auf dem Zimmerplatz winkte.
    – Dobrey den! Applonnia!
    Nikolai war nun schon eine Weile bei den Zimmerleuten. Alle kannten ihn, und die Kinder hatten ihn gern und spielten mit ihm im Sägemehl und nagelten kleine Häuser aus den Brettern.
    Apollonia begriff, dass er ihr etwas zeigen wollte, er deutete auf den Stall an ihrem Haus und machte Geräusche wie ein Gaul und er sagte etwas wie:
    »Fwida … Fwida …!«
    Sollte sie Frieda herbeibringen? Frieda war hinter dem Haus auf der Wiese angepflockt und durfte fressen, damit sie es gut hatte. Nikolai hatte in der Scheune bei Max und Liesel ein altes, zerschlissenes Kummet gefunden und es wiederhergerichtet und dazu zwei Holme angebracht und Eisenketten von einem alten Wagen abgemacht und auch noch drangehauen. Das sah aus, als hätte Frieda ein richtiges Pferdegeschirr, mit dem sie ein Wägelchen ziehen konnte und auch den Pflug. Das war eine Freude! Frieda sollte ein wenig nütze sein und ihnen zur Hand gehen, sie konnte einen Getreidesack auf einem Wagen durch das Dorf ziehen oder bei der Ernte helfen! Vor allem aber konnte Apollonia jetzt mit auf das Feld und die Kartoffeln setzen gehen, das war eine Freude!
    Apollonia war so

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