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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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dann auf einmal alle gegen uns … das war nicht recht …
    – Aber Hitler hat ja die ganze Welt überfallen, habt ihr denn nicht gedacht, das ist ein bisschen viel?
    – Naja, sagte Onkel Egon zögerlich. Manches Mal … In der Bürgermeisterstube hing eine Weltkarte, da sah man, wie groß Russland war und Amerika und England und Frankreich und Afrika, da dachte eysch ja schon, dass Deutschland ja nur so klein ist, … aber sey haben uns gesagt, dass wir Übermenschen sind, da meinte eysch, es könnte schon gehen …
    – Wieso habt ihr nicht aufhören können mit dem Krieg?
    – Ja, wenn man doch mittendrin es – denn will man doch auch gewinnen! Wer will denn einen Krieg verlieren? Gut … hinterher …
    – Ich hätte da nicht mitgemacht. Ich hätte gesagt: Ich mache da nicht mit!
    – Ja dou! Dou weißt immer alles besser! Verwöhnt auf dem Sofa liegen … satt gefuttert … von nichts eine Ahnung … dann, wenn alles längst vorbei ist … Dann wisst ihr immer alle Bescheid.
    – Komm, sagte meine Mutter. Das ist doch jetzt vorbei. Und du, Marie, lass ihn in Ruhe, was weißt du denn schon. Steh auf, Egon, wir sind fertig fürs Krankenhaus, lass uns fahren.
    – Ja, sagte Onkel Egon. Dou hast ja recht. Ich habe ein paar Weintrauben mitgebracht. Kann sey die denn essen?
    Onkel Egon, der seit dem Krieg immer nur von Russland redete und den man immer mitnehmen musste, damit er auf andere Gedanken kam, fuhr mit uns ins Krankenhaus, und Oma sollte bald wieder nach Hause kommen.
    Aber ihrem Bauch fehlte wieder ein Stückchen, und sie sagte, jetzt hat sie keine Lust mehr, sie ist ganz verkrotzt. Wenn die Doktoren in einem herumfuhrwerken wie die Metzger, dann ist Schluss.
    Oma lag in Zimmer 211, und ihre Zöpfe sahen noch ein wenig dünner aus, und ich war nicht zufrieden. Wenigstens schimpfte sie wieder wie vorher, und ihr Verstand schien glockenklar, als hätten die ihr das Oberstübchen wieder ein wenig gelüftet. Solange Apollonia schimpfte, war alles in Ordnung.
    – Na, Oma, fragte ich. Wie ist die Oberschwester?
    – Ein Scheusal! Eysch soll immer den ekelhafte Tee trinken, ich hun mein Lebetag noch kein Tee getrunke, ich will en Bohnekaffee und net dene ihrn Puddel hey. Dann soll eysch bey der ald Tesch hey schlafen, dey schnarcht die ganze Nacht. Off de Klo kann ich aach net gehen.
    Wir atmeten auf. Oma war ganz die Alte.
    – Tante Lonia, sagte Egon. Hey seyn Weintrauben, wollsde die essen oder kriegste davon Braddel?
    – Kann ich net essen, gibsde dem Marie.
    – Oma, hast dou denn keine Schmerzen?
    – Na, ich hun net ville Schmerzen, nur die Sauerei em de Klo, dot es naut. Will ich net hun.
    Ich schaute ratlos zu meiner Mutter, es war doch abgemacht, dass wir über solche Dinge nicht sprachen, schon gar nicht, wenn ein Mann dabei war.
    – Eysch muss mol off de Bettpfann.
    – Na!, sagte Onkel Egon und räusperte sich. Er stand umständlich auf und wollte gehen. Ich sollte vielleicht auch hinausgehen. Und meine Mutter sollte vielleicht die Schwester rufen. Da wollte meine Oma aufstehen, schlug die Decke zurück und wurstelte an ihrem Nachthemd herum, und Onkel Egon ergriff die Flucht.
    – Ei, Mama, was schaffst dou dann!, rief meine Mutter, und ich musste mit zupacken, sonst wäre meine Oma aus dem Bett gefallen.
    – Heiliger Bimbam!, sagte meine Mutter. – Dou kannst doch net allein, dou bist doch viel zu schlabberich!
    Aber meine Großmutter hatte einen Drang und wollte ihn loswerden und es musste irgendwie gleich geschehen, und wir hatten keine Ahnung, wie Apollonia jetzt funktionierte.
    – Schwester?, rief meine Mutter. Schwester? Wo ist dann hier eine … drücke mer mal de Knopp!
    – Geh, ich will doch off de Kloh!, rief Apollonia energisch, und dann trat sie um sich mit ihren mageren, entkräfteten Beinen und das Schicksal wollte es, dass im gleichen Augenblick der Oberarzt hereinkam, den meine Großmutter beim letzten Mal einen Grobian und einen Kurpfuscher genannt hatte.
    – Der kann mer schon gleich gestoll bleiwe, sagte meine Oma. Den will ich garnet sehen.
    – Ei, Mutter, jetzt benimm dich doch, es ist ja eine Schande, wie dou dich aufführst, dou blamierst uns ja bis auf die Knochen!, schrie meine Mutter. Er hat dir doch geholfen, ohne ihn wärst dou ja vielleicht gar nicht mehr am Leben!!
    – Es ist nicht schlimm, sagte der Oberarzt gütig, Frau Heinzmann hat eine posttraumatische Störung, vielleicht war sie auch noch nie woanders als in ihrer angestammten

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