Apollonia
Kartoffelacker ein wenig Kasatschock, und Apollonia und Marianna wollten gleich vom Acker fliegen vor Lachen.
– Balduin, mach du auch mal!
Aber Balduin traute sich nicht, denn Fredo konnte durch den Kappesgarten gehen und sehen, dass sie den Kriegsgefangenen gut behandelten, und dann gab es wieder Ärger, und jeder war es leid, Ärger zu haben mit der Partei. Trotzdem klopfte Balduin Nikolai auf die Schulter.
– In Deutschland wird gejodelt, in Bayern, da jodeln die. Hollerdijolleriahö!
Auf jedem Feld ringsumher wurde geackert und gegraben und Kartoffeln gesetzt, und die Leute sagten, na, ihr habt gut lachen. Bei euch ist ja noch nichts passiert, und die, die ihre Toten in Stalingrad hatten, schimpften, was lacht ihr mit dem Russen, der hat unsere Männer umgebracht, aber Balduin sagte, was kann der denn dafür, meint ihr, der ist freiwillig da?
– Das nicht.
– Der ist ja verschleppt worden, nur mit Gewalt haben die den doch hergeschafft, nicht, weil der aus Spaß und Dollerei uns die Kartoffeln setzt, meinst du, der hat daheim kein Land zum Bestellen?
– Pass bloß auf, sagten die Leute, dem kannst du nicht trauen, das ist doch nur ein Russe. Wenn du zu freundlich bist zu ihm, schießt er dich ins Kreuz, in Wennerode hat ein Pole den Bauern umgebracht, pass bloß auf, du.
– Ach, sagte Balduin unsicher. Das ist doch der Nikolai.
– Jaja, der Nikolai. Heute ist er freundlich und sobald du dich umdrehst, wer weiß …
Man konnte sich doch nicht so in einem Menschen täuschen. Vielleicht hatten sie in Wennerode den Polen schlecht behandelt. Nikolai hatte ein gutes Herz, und Charlotte und Josef versorgten ihn wie einen eigenen Sohn. Wer konnte wissen, ob wirklich alle vom Zimmerplatz wieder zurückkamen, der Konrad, der Dagobert, der Hannes, Ewald und Klemens. Der Atlantikwall ging entlang der Küsten von Frankreich, Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Norwegen und den britischen Kanalinseln. Dort irgendwo waren die Zimmerleute verschwunden und sollten die Alliierten angreifen, dann gnade ihnen Gott. Dann waren sie die Ersten, die es erwischte. Aber wer wusste schon, von wo sie angriffen und ob die Amerikaner dabei waren, wer wusste das denn schon?
Man musste den Feindsender hören, aber dann landete man im Zuchthaus, so wie der Kurt Siebert. Den hatten sie ein Jahr lang eingesperrt und schwer verprügelt, und seitdem war er nicht mehr derselbe. Die Schulter hielt er sich und war ein wenig schief, und alle Augenblicke drehte er die rechte Achsel. Der Papagei war tot, und den Fuchs hatten sie freigelassen, und das Eichhörnchen sprang im Wald umher. Kurt Siebert war zurückgekehrt in seine leere Gastwirtschaft mit den hochgestellten Stühlen und den verschlossenen Fensterläden, und sein Kopf war von Läusen zerbissen. Es ging ihm nicht gut, und er musste immer an die Luxemburger denken, die mit ihm eingesperrt gewesen waren. Seit er gehört hatte, dass man sie in die Lehmgruben der Diezer Ziegelei geschleppt und dort erschossen hatte, weil sie nicht für Deutschland hatten kämpfen wollen, da ging es ihm erst recht nicht gut. Er hörte immer noch ihren Gesang, die Luxemburger hatten immer erst recht fröhlich gesungen, und es hieß, sie hatten auch vor der Erschießung laut durch die Diezer Straßen gesungen, bis sie in der Ziegelei angelangt waren, und dann hatten sie für die Deutschen laut gebetet, bis die abgedrückt hatten.
Kurt Siebert hatte genug von der Welt, und er war bedient, und er hatte eine Wut, und die Wut war mörderisch. Von nun an wollte er seine Ruhe und niemanden mehr in seinem Hause haben. Warum hatte er alles so schön gemacht, ein Dach mit Walm und Gauben und siebenerlei Schößen und geschwungenen Fenstern, und die Waldeslust mit Stuck verziert?
Er hatte genug gehört in all den Jahren. Er war nun zu alt mit über fünfzig, als dass er noch an die Front gemusst hätte, aber leben musste man ja. Kurt Siebert dachte nach und ging mit seiner Frau in den Kuhstall und versorgte das Vieh, wenn ihn die Schulter nicht so sehr schmerzte.
– Die Wirtschaft ist doch so schön eingerichtet, sagte sein Lenchen. Und gesoffen wird immer. Mach sie doch wieder auf … da verdienen wir noch ein wenig.
– Ich will niemanden mehr bedienen, sagte Kurt. – Ich habe genug.
– Von der Partei kommt sicher niemand mehr … die gehen jetzt ins Kasino oder auf den Mäusestein von Wällershofen … die feiern jetzt woanders.
– Sie feiern jetzt woanders … was feiern sie denn?, fragte
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