Apollonia
Kurt.
Dann drehte er sich wieder um und verließ den Schankraum und machte die Fensterläden nicht auf. Er sei noch nicht wieder recht beisammen, sagte sein Lenchen. Er müsse sich erst wieder sortieren. Vielleicht, wenn der Krieg aus ist. Es stehe ihm jetzt nicht der Sinn nach der Wirtschaft. Man müsse auch sehen, ob man überhaupt noch was zum Ausschenken habe, und der Zapfhahn sei nicht in der Reihe, und die Bierleitung müsse gelüftet werden, und ein Bierfass in den Keller geschleppt werden, und wie es da aussieht! Ist ja alles Kraut und Rüben, man muss sich erst mal wieder den Verstand in die Reihe schaffen, dann kommt alles andere.
Malwine Meier und Feldmeister Schröder gaben sich die Ehre, und es war eine Kriegstrauung, und Malwine hatte abermals das Rot von der Ofenwand heruntergekratzt und sich auf die Backen gemalt. Das Hochzeitskränzchen zierte ihren Kopf, und ein dünner, bestickter Schleier fiel um ihre Schultern, und das Kleid hatte sie sich machen lassen und den Stoff aus Böllsbach holen lassen mit dem Fahrrad. Um den Hals trug sie das Kreuzchen von ihrer Großmutter, und der Feldmeister hatte seine Ausgehuniform an und auf dem Kopf die Mütze mit dem Emblem vom Spaten und Ähre und dem Hakenkreuz. Da konnten alle sehen in Scholmerbach, wie weit sie gekommen war. Malwine Meier hatte den schönen, feschen Feldmeister bekommen von der Wesel an der Rhein-Lippe, und er war aufrecht und groß, und sie würde einziehen in die prächtige Grubenvilla auf dem Haselbacher Feld, wo die Hakenkreuzfahne wehte und sie Sekt trinken konnte und baden in der Emaillewanne am gusseisernen Badeofen! Das hatte aus Scholmerbach noch niemand geschafft! Niemand war je so weit gekommen, dass er in einer herrlichen Badewanne hatte baden dürfen! Natürlich war es ärgerlich, dass sie den Schröder in einer so schlechten Zeit erobert hatte. 1944, da war wirklich der Spaß vorbei, und keiner war in Stimmung. Eine Kriegstrauung, es gab nur Krümelkuchen, und keiner wollte kommen, das war so ärgerlich. Ja, man durfte noch nicht mal Freude zeigen, sonst sagten die Leute, sieh mal, die Malwine, jetzt zieht sie in die Villa, und alle waren neidisch! Man kriegte ja auch kaum einen Pfarrer, der eine saß dauernd im KZ , das war wirklich zu dumm, und der andere rannte bei den Bombenopfern herum. Schließlich hatten sie es doch geschafft, und an einem Sonntag im schönen Mai wurde Malwine Meier die Frau Feldmeister Schröder im Angesicht Gottes, und ganz Scholmerbach sah, wie sie aus der Kirche kamen, ohne Glocken natürlich, aber Malwine in einem schönen, schmalen Kleid, einem so schönen, hellen Kleid, dass sie es später zur Vereidigung anziehen konnte, wenn die neuen Soldaten an die Front geschickt wurden.
Im Kasino vom Reichsarbeitsdienst wurde kräftig gefeiert, wie es sich gehörte. Schröder war ja immerhin der Feldmeister, und Malwine bestand auf einem ordentlichen Fest mit wenigstens etwas Rinderbrühe und ein wenig Hähnchenfleisch mit Kartoffeln und Kompott und hinterher ein wenig Pudding und Rüttgers Club. Schließlich wollte man ja mal ein Leben führen, deshalb waren sie doch in die Partei gegangen: um einmal ein Leben zu führen, und zwar richtig, und nicht immer nur Erbsensuppe und Krümelkuchen.
Das Leben wartete auf Malwine, und die emaillierte Badewanne mit dem gusseisernen Badeofen in der herrlichen Villa war die Krönung all dessen, was sie sich jemals vorgestellt hatte in ihrem Leben. Nun endlich sollte es so weit sein.
Strahlend schritt Malwine zum Altar, wunderbar stellte sie sich vor, was nun kommen sollte. Wenn nur all ihre Brüder und ihre Onkel hätten herbeieilen können, ja die ganze Anverwandtschaft von nah und fern! Aber so konnten sie nur mit den Nächsten feiern, der Mutter, dem Vater, den Schwestern und den jungen Männern vom Reichsarbeitsdienst, und weil es so wenige waren, lud Malwine noch den einen oder anderen Soldaten ein, der ihr gut gefiel. Das Kasino war schön geschmückt mit seinen karierten Decken, und Malwine war kein Kind von Traurigkeit, und Kunigunde und Theodora sollten auch kommen und es sich gutgehen lassen!
Ein Schnaps und noch ein Schnaps, Feldmeister Schröder, Frau Feldmeister, Prost, Prost, wir wollen das Brautpaar hochleben lassen, hoch, hoch, hoch! Und wir wollen tanzen!
Da warfen sie im Kasino den Riemen auf die Orgel, und Marika Rökk sang: »Für eine Nacht voller Seligkeit, da geb ich alles hin …«
Und sie tanzten auf dem Haselbacher Feld und vergaßen
Weitere Kostenlose Bücher