Apollonia
die Hakenkreuzfahne einziehen können und mit Sack und Pack aus der Villa türmen, wie diese schon auf dem Hof stürmten und alles durchsuchten und danach die Türen offen ließen. Es war ein Jammer. Der schöne Kronleuchter und die herrlichen Teppiche, das Vertiko aus Mahagoni und der Tisch aus Eichenholz, alles hatten sie dortlassen müssen, die schöne, prächtige Uniform von Feldmeister Schröder, die ihm so gut gestanden hatte, blieb einfach am Nagel hängen. Was sollte man tun, man konnte sie ja nicht verbrennen oder in aller Eile vergraben, und als die Amis kamen, da war sie beinahe noch warm. Eine Ungerechtigkeit war das, so jung verheiratet wurde man aus dem Haus gejagt und hatte nicht mal Zeit gehabt, alles richtig einzupacken. Da hatte man es mal zu was gebracht und konnte mal ein Leben führen, und schon war es wieder vorbei. Man wurde rausgeschmissen wie ein Säufer vor die Türe, das hatte sie nicht verdient! Hatte Malwine nicht in ihrem schönsten Kostüm vom Schneider Müller aus Ellingen mit dem Fuchspelz bei der Vereidigung mit dem Hauptmann Tomaczek getanzt? War sie nicht die große Dame vom Reichsarbeitsdienst gewesen, und hatten sich nicht alle Soldaten nach ihr umgedreht, wenn sie morgens ins Kasino ging, zur Rote-Kreuz-Station? Hatte sie nicht aufopfernd blutige Wunden von Spatenstichen verbunden und den jungen Kerlen die Arme mit Essigumschlägen gekühlt, wenn sie zerstochen aus den Sümpfen wiederkehrten? Und hatten die nicht immer gesagt: Danke Malwine, wir danken dir so sehr? Ja, Malwine war gut zu allen gewesen, und einmal hatte sie sogar die Suppe ausgescheppt, als die Köchin krank war. Sie war die große Dame gewesen und bewundert von allen, und sie hatte ein Kostüm vom Schneider Müller aus Ellingen und sogar eine Fuchsstola, und bei der Vereidigung hatte sie besonders schön die Beine gestellt, nicht einfach so eines neben das andere, wie es die Bauernmädchen machten. Nein, sie stellte eines angewinkelt vor das andere, und sie hielt die Schultern schön gerade und das Kinn erhoben wie Marlene Dietrich. Und trotzdem war sie sich niemals zu schade gewesen und hatte den Rote-Kreuz-Lehrgang mit Bravour bestanden, und sie konnte sogar gebrochene Knochen schienen und einen Gipsverband anlegen. Und war sie nicht gleichzeitig für jeden Spaß zu haben und hatte nichts anbrennen lassen und war kein Kind von Traurigkeit und hatte jeden teilhaben lassen an ihrem Glück? In des Feldmeisters Waschküche hatte sie den Badekessel angeheizt und den Plattenspieler angeworfen und für eine Nacht voller Seligkeit die Emaillewanne volllaufen lassen und den Mirabellenschnaps ausgepackt, und sobald der Feldmeister auf Übung war, tanzten hier die Puppen! Malwine ließ alle ihre Freundinnen in der Emaillewanne baden: Kunigunde und Theodora und auch Birgitta und Gertraudel, und jeder durfte auf das Haselbacher Feld kommen und bei Kerzenschein und Plattenspieler und – Ich brauche keine Millionen – des Feldmeisters Zigarren rauchen und in der Badewanne liegen und sich betrinken und Feste feiern, das war ein herrlicher Spaß gewesen! Halb Scholmerbach hatte in des Feldmeisters Badewanne gelegen! War denn recht, was nun geschah? Als sie noch einmal zurückkehrte, um Fleischkonserven zu ergattern und ein paar Weinflaschen, da sah sie die Bescherung:
Auf dem Feldweg von Scholmerbach unter den Apfelbäumen und Birnbäumen hindurch zum Haselbacher Feld hinauf sah sie die ganzen Leute aus dem Dorf hinaufmarschieren. Die einen kamen neugierig und ängstlich, und die anderen hatten einen Korb dabei oder einen Sack und die dritten schon gleich den Handkarren. Und kaum, dass die Scholmerbacher die Nase in die offene Tür gesteckt hatten und keinen Truppführer und keinen Feldmeister und keinen Arbeiter und keinen Soldaten mehr beim Exerzieren sahen und auch keinen Amerikaner und keinen Gendarmen, der sich kümmerte, weder in den Garagen noch in der Werkstatt oder den Schlafbaracken und dem Kasino, schon war alles zu spät.
Da sind sie über alles hergefallen, so was hat die Welt noch nicht erlebt. Das ausgehungerte Scholmerbach konnte alles brauchen, aber auch alles. Die Schippen und die Gabeln, die Tischtücher und die Stühle, die Kasserollen und die Töpfe und Waschschüsseln, sie brauchten die Bettwäsche und die Betten und die Soldatenstiefel, sie brauchten die Handtücher und die Karren und die Eimer und die Tische und die Soldatenmäntel und die Äxte und die Schleifsteine und die Messer und die
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