Apollonia
heraussprangen, brachten ihn eines Tages auf eine glorreiche Idee, und nun probierte er herum mit Eimer, Sägemehl und Schmierseife, und nach mehreren Experimenten schuf er: eine Handwaschpaste aus Sägemehl. Danach einen Seilzug, um Heu auf den Heuspeicher zu heben. Er baute aus hohlen Baumstämmen Brutkästen für die Singvögel, und dann baute er Kisten, um Hunde zu transportieren. Dann sah er lange den Sägeblättern zu, sah den Saft der Bäume an ihnen glänzen und glaubte nichts anderes, als dass man einen Saft aus den Bäumen gewinnen könnte, der vielleicht Menschen heilen oder Wunden verschließen könnte, so wie der Baum seine eigenen Wunden verschloss, wenn man ihm einen Ast abschlug. Ja, man könnte sogar aus dem Harz, wenn man ihn rechtzeitig in einer Tube luftdicht verschloss, einen Klebstoff machen, der besser war als Uhu und Pattex zusammen, weil die Natur, der Herrgott selber ihn erfunden und dem Klemens offenbart hatte.
Die Handwaschpaste aber wusch leider nicht, und der Klebstoff klebte nicht. Der Saft der Bäume, der auf den Sägeblättern glänzte und auf der frisch geschnittenen Buche nur einen Augenblick verweilte, war schneller verflüchtigt, als Klemens nur schauen konnte, geschweige denn, dass er hätte einen Finger heilen oder Opas früh ausgefallene Haare hätte wiederbringen können. Mein Großvater hatte Baumstämme ausgehöhlt für die Singvögel und Kisten gebaut für die Hunde, die auf Reisen gingen, aber welcher Hund ging schon auf Reisen und welcher Singvogel brauchte meines Großvaters Hilfe, wenn er seine Nester baute, und so fluchten die Zimmerleute über meinen Großvater Klemens, der sich seine Zeit damit vertrieb, bei der Dampfmaschine herumzuliegen und seinen Phantastereien nachzuhängen. Ein Phantast sei er. Einen großen Furz im Kopf habe er. Alles, was nichts taugt, das könne er gut. Was aber was taugt, davon wollte er nichts wissen. Wenn einer nichts taugt, muss er aber trotzdem essen. Man schickt keinen davon. Man kann sich aber über ihn ärgern, es kann einen der eigene Bruder so ärgern, dass man ihn davonjagen will, wenn er seine Arbeit nicht tut und lieber mit dem Sägemehl herummatscht und sich was ausdenken will, was nichts ist, was von vornherein nichts ist und nichts wird, was von Anfang an jeder weiß, ohne Berechnung, ohne Zeichnung, ohne es mal durchzudenken, ohne einen Fachmann heranzuziehen, ohne mal zu fragen, wer so was überhaupt braucht. Da konnte man doch verrückt werden.
Verrückt werden oder sich in die Haare kriegen, weil er nicht wollte, wie er sollte. Nur mit einem hatte er keine Händel, mit einem war er sich gottlob einig, das war der Herrgott, der auch immer auf dem Zimmerplatz war. Mein Großvater war aber kein Heiliger. Er entehrte den Sonntag durch übermäßiges Saufen und Feiern, er widerstand dem Satan dahingehend, dass er Gottes Gebote zwar hielt, aber mit dem Schnapsteufel prächtig feierte, und wenn ihm etwas nicht gefiel, dann fluchte er aus Leibeskräften auf den Herrn und nahm dabei Worte in den Mund wie: böses Kreuz und böses Sakrament und verdammtes Leiden, das Leiden, womit er womöglich das Leiden des Herrn meinte. So genau verstand es ja keiner, und auch mein Großvater hatte nicht die geringste Ahnung, was er da fluchte. Er setzte sich fluchend in die Kirche, und vor allem hatte er das Arbeiten nicht erfunden.
Das war dem Herrgott scheinbar egal, er schien sich mit Klemens gut zu verstehen, die Freundschaft war prächtig, ob er nun polterte oder besoffen war oder unter der Dampfmaschine schlief, Klemens hatte scheinbar ein unendliches Zutrauen zu ihm, er verfluchte den Heiland und ging später nüchtern oder besoffen zu ihm in die kleine Dorfkirche und setzte sich in die Kirchenbank und sprach mit ihm, und ganz Scholmerbach wusste nicht, was sich Klemens mit dem Herrgott erzählte, in der Kirche, die nur ein Harmonium hatte. Sie sagten: Der sitzt einfach da in der Bank, und manchmal blättert er in den Büchern mit den Heiligenlegenden.
Außerdem ging er in den Wald und achtete und ehrte den Wald, weil der Herrgott ihn geschaffen hatte. Er lobte das hohe blaue Firmament, das sich über ihm erhob und in dem der Herrgott ja thronte. Er ehrte die Waldvögelein, weil der Herrgott sie ins Firmament gehoben hatte: Es tagt der Sonne Morgenstrahl, weckt alle Kreatur, der Vögel froher Frühchoral, begrüßt des Lichtes Spur, es singt und jubelt überall, erwacht sind Wald und Flur. Wem nicht geschenkt ein Stimmelein zu singen
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