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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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haben.
    – Wie geht es?
    – Noja …
    – Soll eysch dir mal was sagen, Königin Silvia Sommerlath hat en Mädchen. Hast dou schon gehört? Sie heißt Viktoria! Prinzessin von Schweden!
    – Ach.
    Es war, als wüsste Apollonia nichts damit anzufangen. Sie blickte sich im Zimmer herum, als wisse sie nicht, wo sie sei.
    – Na, versuchte ich es aufs Neue. Wie war et im Krankenhaus? Wie waren die Ärzte? Bestimmt alles Drecksäcke und Kurpfuscher und Grobiane … hab gehört, dey Schwester war en Trampeltier!
    Meine Oma wendete langsam den Kopf zu mir, und dann fing sie an zu lachen.
    – Und was für aans.
    Es war, als ob die anderen erleichtert im Sessel zurückfielen, froh, dass ich endlich aufgekreuzt war, und sie wollten runtergehen. Meine Mutter und mein Vater waren fürs Erste befreit.
    – Kannst deysch mal ein bisjen kümmern. Eysch schmiern mir ein Brot.
    Dann waren sie verschwunden, die Gemeindeschwester ging, Tante Hedwig verabschiedete sich. Meine Brüder verschwanden in ihre Zimmer. Oma lag still da, und sie hatte das Gebiss ausgezogen, es schien zu drücken, und sie konnte es nicht leiden, sie lag auf dem Rücken und starrte Löcher in die Decke. Ich war mir nicht sicher, was in ihr vorging. Selbst noch ganz aufgewühlt von der Sache mit Jim, und jetzt lag da meine Oma und war so verändert, dass mir ganz komisch wurde, ich warf mich der Einfachheit halber aufs Bett von Opa.
    – Oma, sagte ich. Ich seyn auch fix und fertig. Aber dir geht es natürlich jetzt schlechter als mir. Haben dey ordentlich an dir rumgesäbelt? Tut et noch weh??
    – Ach noja … es ist einem … so komisch im Kopp herum …
    – Ich dacht, et war der Dickdarm. Ich dacht, et ist der BAUCH !
    – Ja, … aber … mir ist ganz anners …
    – Wie viel is drei mal vier?
    – Zwölf …
    – Siehst du, Oma, der Kopf klappt noch. Et ist der Dickdarm gewesen.
    – Ach, dou seyst doch ein albernes Ding.
    Ich lag da in Opas mürben Kissen und hatte so viel erlebt und Oma lag neben mir und würde gar nichts mehr erleben. Wie sollte ich noch etwas von ihrem Leben erfahren, wenn ihr jetzt schon komisch war im Kopf und sie zwar noch drei mal vier rechnen konnte, aber so seltsam aus der Wäsche guckte mit ihren schrecklichen Zöpfen?
    – Oma, kannst dou bald wieder aufstehen?
    – Der Dr. Samstag will vorbeikomme, da werden wir mal hören.
    – Der Dr. Samstag, ach du Schreck, dann ist et gleich aus und vorbei.
    Da lachte meine Oma.
    Also war noch etwas von der alten Apollonia da, man musste sie nur mal ein wenig zur Besinnung bringen, ein wenig rütteln, damit sie wieder zu sich kam.
    – Willst dou nicht viel lieber in der Küche liegen, auf dem roten Schesselong? Da ist et doch schöner als hier im Schlafzimmer, da es doch nichts los.
    – Das muss erst noch alles zouheilen, da liege eysch besser flach.
    – Ach so …
    Oma schien immer noch seltsam abwesend, und ich sank in Opas Kissen zurück, auf dem seit drei Jahren niemand gelegen hatte und das seitdem auch nicht frisch bezogen worden war. Es roch komisch, und ich glaubte, noch etwas von Sägemehl und Lumpenschnaps darin zu riechen und auch etwas vom Blut, als er sich den Kopf aufgefallen hatte nach dem Lumpenball. Von hier aus sah meine Oma aus wie ein sehr altes Mädchen und nicht wie Apollonia.
    – Oma, tut mir leid, aber die Zöpfe sehen blöd aus. Eysch muss dir wieder einen Dotz mache.
    – Dadrauf kann ich nicht lieche.
    – Ja, aber dou seyst doch kein kleines Mädchen.
    – Ach, ja, naja, … vielleicht so einen Zopf … zur Seit hin …
    – Bald stehst dou wieder auf.
    – Wer weiß …
    – Hast dou keine Lust mehr aufzustehen?
    – Ach … mir ist alles egal …
    – Alles egal … es ist doch nicht alles egal!! Dou musst aufstehen!! Hör mal, im Fernsehen kommt die Kindstaufe von der kleinen Viktoria!!
    – Ach jo …
    Das schien sie kaum zu interessieren, es wurde schwierig mit Apollonia. Sie würde mir womöglich nicht mehr viel erzählen können für mein Buch, das wurde mir mit einem Mal klar. Lähmung breitete sich aus im Krankenzimmer. Jim fiel mir ein. Was würden sie mit ihm machen? Wurde er gerade verhört? Saß er in einer Arrestzelle? Ich konnte ihn nicht mal anrufen. Wenn ich heute Abend ins Jonnies lief oder mich jemand mitnahm, konnte ich vielleicht einen anderen Soldaten fragen, wie es ihm ging.
    – Oma, ich hab einen Freund, er ist Ami, und sey haben ihn verhaftet.
    Da drehte sie ihren Kopf zu mir und schien zu erwachen, als hätte

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