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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Lusthäuschen gebaut, und seine Stimme schallte über das ganze Dorf, und er sang das »Heideröslein« und »Es waren zwei Königskinder« und »Abendstille überall«.
    Man hörte es in ganz Scholmerbach, und manchmal trug der Wind die Lieder über alle Wälder und Höhen hinweg bis in die Eifel und den Hunsrück hinüber, so schön war das.
    Es verging noch manches Jahr, schließlich folgte Apollonia ihrem Herzen und ließ sich von Klemens’ Liedern und seiner schönen Stimme und den schönen weißen Zähnen und von seinem herrlichen Gelächter einfangen, und als sie darüber nachdachte, was besser war: lachen, wie es die Zimmerleute machten, oder nicht lachen, wie es der Dapprechter Gustav verlangte, da entschied sie sich am Ende ihrer langen, langen Jungfernschaft oben unter dem Wald bei Schnaps und Liedern und Vogelklang für den Zimmermann Klemens, den Jüngsten von vielen Brüdern und auch viel jünger als sie.
    Da sang ihr mein Großvater das »Ännchen von Tharau«:
    Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz,
    auf mich gerichtet in Lieb und in Schmerz …
    Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,
    je mehr ihn Hagel und Regen anficht …
    Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
    mein Leben schließ’ ich um deines herum.
    Der Dapprechter Gustav aber tobte.
    Mein Großvater sei ein Drückeberger, ein Träumer, ein Faulenzer, einer, der nichts tauge, und er gebe seinen Segen – nicht.
    Man konnte es ihm einfach nicht recht machen. Apollonia aber war eine Dapprechter und genauso stur wie er, und sie setzte sich durch, und einen anderen hätte sie sowieso nicht mehr gekriegt, und es war ja gut, dass Apollonia jetzt endlich unter war, egal mit wem. Und zum Klemens sagten die Leute, muss es denn ein Dapprechter Mädchen sein? Die sind doch Fegefeuer, wenn die wütend sind, machen sie dir die Hölle heiß, dann hast du nichts mehr zu lachen! Ein jeder wusste etwas Warnendes zu berichten, aber im Großen und Ganzen wusste man, dass man jetzt das Unheil nicht mehr abwenden konnte, und da war es besser, man brachte die Hochzeit hinter sich. Um eine Hochzeit wurde in der armen Zeit sowieso nicht so viel Gewese gemacht. Man hatte nur ein gutes Kleid und darauf der Schleier, der war vorher schon durchs halbe Dorf gewandert, dann Krümelkuchen und alle eingeladen und Kirschlikör, und abends gingen sie nach Hause und fertigamen.
    Nur der Dapprechter Gustav wollte bis zum Schluss keinen Schritt in die Scholmerbacher Dorfkirche setzen und nicht mitkommen, schließlich hat er sich in letzter Not noch hinnötigen lassen.
    – Es werd nicht geraten!, hatte er geschrien und: Eysch sage es euch im Guten!
    Und dass sie alle der Teufel holen wird und dass sie nicht auf ihn hören wollen, das werden sie noch bitter bereuen, und dann gnade euch Gott! Und zum Schluss hat er noch posaunt:
    – Ihr werd’ noch sehen, was daraus wird!
    Damit hatte der Dapprechter Gustav aber recht behalten.
    Denn alle sahen, was daraus wurde.
    Wir saßen alle in der Küche meiner Großmutter unter dem Dachjuchhee auf dem roten Schesselong und warteten auf ihre Rückkehr, denn mein Vater hatte gesagt, man könne sie jetzt nicht mehr länger im Krankenhaus behalten.
    Die hatten ihr die Gedärme geflickt und alles Böse herausgeschnitten und die Nähte versorgt und sie gewickelt und gefüttert und ihr das Haar gekämmt und die Kissen geschüttelt und ihr Tabletten gebracht dreimal am Tag, doch die Undankbarkeit Apollonias kannte keine Grenzen.
    Das Bett war ihr zu hart und das Kissen zu weich, die Bettpfanne eine Zumutung, die Krankenschwester ein törichtes Hinkel, die Nachbarin zu geschwätzig, das Brot ein lappiges Zeug, das Fernsehen konnte man nicht verstehen, die Operation sei verpfuscht, in diesem Krankenhaus habe man überhaupt schon jeden und alle verhunzt und kränker gemacht, als er vorher war, und sie wolle jetzt nach Hause. Fertig. Daher hatte der Oberarzt angerufen, wir möchten unsere Oma jetzt abholen, denn durch ihre mangelnde Mitarbeit und ihre Unbelehrbarkeit sei er jetzt mit seiner ärztlichen Kunst am Ende und obendrein sei man kein Grobian und kein Kurpfuscher und die Oberschwester sei kein Trampeltier.
    Mein Vater musste einen Tag Urlaub nehmen, fuhr mit meiner Mutter ins Krankenhaus nach Limburg, stopfte übermäßig viel Trinkgeld in alle Kaffeekassen und fuhr dann dem Krankenwagen hinterher. Ich wartete nach der Schule mit meinen Brüdern auf die Rückkehr meiner Großmutter Apollonia.
    In ihrem Schlafzimmer standen

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