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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Fuß den Radioknopf und der amerikanische Sender fiepte drauflos mit allerlei Störungen und unverständlichen, abgehackten Lauten und Kommandos, dass ich mich erschreckte und sofort wieder zurückschoss in Habachtstellung, als sei ich der Soldat und nicht er.
    November also, bis November waren wir bestimmt noch zusammen, und wir konnten uns überlegen, wie wir bis dahin die Zeit genießen wollten und wie weit wir gehen mochten, denn ich war ja, ich war ja noch niemals, also, ich war eine unberührte Blume in diesem Sinne, und alles was geschah, schien mir köstlich, und ich hatte mich aufgehoben für den Einen, den Wahren, für die ganz große Liebe.
    Wir alle hatten uns aufheben wollen, alle Mädchen, die ich kannte.
    In meiner Klasse gab es noch sieben Jungfrauen, drei waren keine Jungfrauen mehr, bei dreien wussten wir es nicht so genau, und Lydia Kosslowski war schon hundertmal keine Jungfrau mehr.
    Ich aber träumte noch vor mich hin und wollte es ganz besonders und so außerordentlich schön und so einmalig und verwunschen, dass es schwerlich geschehen konnte und vielleicht nur ein Traum war, so schön wie ein Märchenschloss. Der Prinz, der in das Schloss hineinkonnte, war bestimmt bedeckt mit dem Staub meiner Heimaterde und trug die Uniform der amerikanischen Armee und saß in einem Jeep, in dem man so holperig fuhr, dass man aus jedem Traum herausgeschleudert wurde. Das Sitzpolster war so dünn, dass man sich den Hintern grün und blau haute, und der Helm, den er mir aus Spaß aufsetzte, drückte so sehr, dass ich mich fragte, wie die Army auch nur einen einzigen Krieg gewinnen wollte, wenn sie sich mit der eigenen Ausrüstung die Soldaten demolierte und zerbeulte und ramponierte, bevor es überhaupt losging, und jeder GI tat mir von Herzen leid.
    Auf einmal knatterte und brummte es vor uns ganz fürchterlich, und aus dem Gebüsch kam ein weiterer US -Jeep geschossen und wirbelte Staub auf, und ich erschreckte mich zu Tode, und dann raste der Jeep auf uns zu und hielt schräg vor uns.
    – Ouh shit!, zischte Jim und rutschte tiefer.
    – Hey man!!!, schrie ein Sergeant. What the hell are you doing – get the ass out of your car – Private Logan!!!
    Und Jim sprang aus dem Auto und stand stramm, während ich zur Salzsäule erstarrte. Das sah nicht gut aus. Man durfte im Jeep keine Privatpersonen befördern, da halfen die Blumen rein gar nichts. Ich auf dem Beifahrersitz in meiner schönsten Sommerbluse und mit meinem nach Apfelshampoo duftenden Haar machte nichts besser, rein gar nichts. All meine Beteuerungen, mein Herausspringen, mein Knicks machten alles nur schlimmer. Sie haben meinen Jim mitgenommen, gleich nachdem er mir seine Love forever gestanden hatte, war sie schon zu Ende, und der Sergeant packte ihn in seinen Militärwagen, und zu mir sagte er: Sorry, Misses, und wollte mich im blumigen Jeep ins Dorf fahren.
    Und sowie ich das schöne gelbe Schild sah mit der Aufschrift: Scholmerbach, das schönste Schild, das ich kannte, wollte ich fliehen und mich hinter dem Schild verstecken und daran festhalten.
    Da konnte mir nichts mehr passieren, alles war gut, nicht einmal die amerikanische Armee konnte etwas ausrichten, wenn da stand: Ortsgrenze Scholmerbach.
    »Thank you, dass Sie mich heimgefahren haben!«, rief ich noch. Denn bedanken soll man sich, wenn einem einer geholfen hat. Schließlich hatte der Sergeant meinen Liebsten mitgenommen und da musste ich mich gut stellen, wer weiß, wann ich ihn wiedersehen würde.
    Als ich zu meiner Oma in die Schlafstube kam, trug sie alberne Zöpfe.
    – Hä?!!, sagte ich.
    Apollonia war zurückgekehrt aus dem Krankenhaus und lag in ihrem Bett, im Nachthemd mit Blümchen, ihre Haare waren in der Mitte gescheitelt und sie trug geflochtene, dumme Zöpfe, sie sah aus wie eine alte Squaw.
    Sie war so ganz anders als vorher und rührte sich nicht.
    Meine Mutter und Tante Hedwig und mein Vater wurstelten betreten herum, und es herrschte ein komisches Schweigen, nur der Vorhang zum Garten wehte, und draußen hörte man die Zimmermänner fluchen und die Sägen leise kreischen wie ein sommerlicher Singsang.
    – Hallo Oma … Na? Wieder da??
    – No … dou … Zusseltier …
    – Wo warst dou denn so lange?, fragte meine Mutter. Wir haben schon gewartet.
    – Ich … ich hatte Malheur … konnte nirgendwo mitfahren … der Bus ging nicht.
    Ich kniete mich ans Bett meiner dünner gewordenen Oma, und in ihren Augen schien das Grau einen Schleier bekommen zu

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