Apollonia
schön eingerichtet, da musste man den Hut ziehen. Wo der Honiels seine Theke hatte und Bänke und Tische, zum Schnaps trinken und zum Kartenspielen, da machte der Kurt SEPAREES !
So was Feines! In Scholmerbach! Eine Gaststätte mit grünen Tapeten und getönten Fensterscheiben und spitzengeklöppelten Bordüren an geschnitzten Eckregalen und einem Grammophon, und dann servierte er auch noch Wein! Ganz übergeschnappt! Der erste Mensch, der in Scholmerbach Wein servierte! Kurt war ja ein ungeheuerlicher Kerl, wie er das rundgespielt hatte, schon das Geld dafür herbeizuschaffen und beiseitezulegen, um eine so prächtige grüne Häuserfassade mit Stuck herzurichten und der malerischen Aufschrift »Waldeslust«.
Woher er seine Ideen nahm, konnte man nicht wissen. Er hatte schon immer einen eigenen Kopf und war mal in Amsterdam gewesen und mit dem Schiff nach London gereist, da war so mancher von Scholmerbach nicht mal aus dem Kuhstall herausgekommen.
Der Kurt, der war ein Weltenmensch, haben sie gesagt, stattlich und herrlich anzusehen mit seinem gezwirbelten Bart. Immer hat er geträumt von einer Reise nach Südwestafrika in die Kolonien und wollte all die fernen Völker sehen. Auch war er auf die Jagd gegangen, da hatte er einen Fuchs lebend gefangen, den hielt er sich wie einen Hund, und der hatte hinten im Garten einen großen Käfig. Da kam jeder in die Waldeslust, um den Fuchs zu sehen.
Mein Großvater, der auch die vielen Völker liebte, unterhielt sich gerne mit Kurt, der schon in der Welt gewesen war, genau wie er, und mal andersherum dachte wie alle anderen. Die Spitzendeckchen und die Bordüren an den Regalen hätte er nicht gebraucht, denn das war schließlich Firlefanz. Auch Wein brauchte er keinen zu trinken, ihm reichten das Bier und der Wacholder. Aber Kurt war so großzügig, dass er meinem Großvater gerne einen ausgab, und daraufhin gab mein Großvater gleich dem halben Lokal eine Runde aus, und sie waren beide so großzügig und spendabel wie der Herrgott selbst, den die Welt gar nichts kostete und der sie erschaffen hatte mitsamt Südwestafrika, Frankreich und all den Völkern noch dazu!
Die Welt konnte meiner Großmutter »gestolle bleiwe«, sagte sie. Ihre Welt fand wieder in der Küche am Kohleofen im kleinen Lehmhaus statt, und es wurde ein kalter Winter mit gefrorenen Wänden, und sie musste dem Dapprechter Gustav erklären, warum der Klemens schon wieder in der Waldeslust war oder beim Honiels und sich anhören, dass er, der Dapprechter Gustav es ihr gleich gesagt hatte, dass der Klemens nichts taugt und alles Geld in die Wirtschaft trägt, wo er große Reden schwingt, und sie daheim noch kein Körbchen hatten und keine Bettwäsche und kein Taufkleidchen für das Kind, das sie unter dem Herzen trägt.
Bloß weil das Weiberkram war, musste sich ein Mann doch trotzdem bekümmern und für einen Waschkessel sorgen, in dem man die Lumpen ordentlich kochen konnte, der alte war schon beim Kesselflicker gewesen, man musste ein Bettchen aufstellen oder sich ausdenken, wo der Korb stehen sollte, denn Hanna in Langdehrenbach hatte sogar eine geschnitzte Wiege! Nein, Apollonia musste Klemens ordentlich bugsieren und knuffen und hieven, bis er mal bereit war, am Sonntag mit ihr zu Fuß die sechs Kilometer zum Juden Joel in Wällershofen zu gehen und was Schönes zu kaufen oder was Notwendiges für den Hausrat.
Wenn aber Klemens nicht mit ihr ging, dann musste sie warten, bis Schajs Simon durch das Dorf kam und an ihre Tür klopfte und freundlich fragte:
– Na, brauchst du was?
Dann bat sie ihn herein und ließ sich das Heft zeigen und seinen Katalog und klagte ihm ihr Leid und dass sie den schönen Porzellankrug mit der passenden Waschschüssel schon gerne hätte, für wenn die Schwestern kamen aus Wennerode und aus Langdehrenbach. Auch wollte sie gerne so ein schönes Bild haben an der Wand mit Jesus beim Abendmahl oder aber auch das mit den Alpen und dem Wilderer. Oder ein schön gesticktes Tischtuch, damit man den alten verkratzten Tisch nicht so sah. Das konnte der Simon schon gut verstehen, denn er war ein feiner Mann, und er hörte Apollonia zu. Er war gebildet und hatte seine wenigen Haare zurückgekämmt, er hatte eine Brille mit goldenem Rand und trug als Einziger Schuhe wie der Schulmeister, ohne Nägel. Mit denen ging er von Wällershofen über all die Dörfer bis Ellingen und Linnen und Hellersberg. Simon hatte ein kleines Heft, darin konnte man anschreiben, und jede Woche wanderte
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