Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
Vom Netzwerk:
er von Haus zu Haus und entweder zahlten ihm die Leute oder sie zahlten nur ein klein wenig, so viel wie sie gerade hatten, und meistens zahlten sie gar nicht und sagten:
    – Ach Simon, et geht jo net, kommst dou ein annermol wieder.
    Dann verbeugte er sich artig und ging einfach weiter, aber wenn er etwas kriegte, dann sagte er: »Merci.«
    Wenn Apollonia all die schönen Sachen bestellte, dann würde er auch bei ihr klopfen, und sie musste den Kopf schütteln und Schajs Simon zur Waldeslust oder nach Honiels schicken, die viel früher ihr Geld kriegten als Apollonia oder etwa der Kohlehändler. Schließlich kamen doch zur Geburt ihre Schwestern, und Hanna und Klarissa sollten sehen, dass etwas aus ihr geworden war. Da fasste sich Apollonia ein Herz und bestellte das Bild mit den Alpen und dem Wilderer, der gerade erschossen wurde, in einem goldgefärbten Rahmen und eine Spitzentischdecke noch dazu und ein Paradekissen, darin wollte sie das Kind zur Taufe tragen. Sie konnte nicht genug kriegen und konnte nicht mehr aufhören und bestellte noch die bemalte Waschschüssel und lauter Fisimatenten. Der Schajs Simon hatte noch keinem was zuleide getan. Wenn die Taufe erst vorüber war, könnte man den Klemens anhalten, länger auf den Zimmerplatz zu gehen und alles abzuzahlen. Denn wenn er auch die Arbeit nicht erfunden hatte und an der Theke herumschwadronierte, so war er ja kein Unmensch, und der Dapprechter Gustav hatte nicht in allem recht. Noch immer war der Klemens meistens gut gelaunt und brachte ihr auch mal einfach so was mit, eine duftende Lilie, die irgendwo blühte, oder ein Stückchen Schokolade aus der Waldeslust, und der Kurt, der die Schönheit verehrte, ließ ihr einen Schluck Wein abfüllen, zur Verehrung, wie er sagte.
    Vor allem aber freute Klemens sich sehr auf das Kind, denn Kinder liebte er auch, und er war sehr aufgeregt, dass er nun Vater wurde, und wenn es erst mal so weit war und der Weiberkram fertig und das Kind da, dann wollte es hernehmen und stolz in ganz Scholmerbach herumzeigen und ihm ein Wägelchen bauen und es reiten lassen auf dem blinden Hans und der braven Liesel und mitnehmen überallhin, und dann wollten sie einen Ausflug machen, und Apollonia musste ihr schönes Kleid aus Frankreich anziehen. Dann wollten sie in den schönen Wald hinein, wo die Vögelein sangen, ja, er selbst wollte dem Kind die herrlichsten Lieder vorsingen: »Ein Vogel wollte Hochzeit machen«, »Auf einem Baum ein Kuckuck saß«, »Weißt du, wie viel Sternlein stehen«, »Eia popeia, was raschelt im Stroh?«,»Wer hat die schönsten Schäfchen«, »Im schönsten Wiesengrunde, dich mein stilles Tal, grüß ich tausendmal« und dann hoch oben im Lusthäuschchen würde es erklingen weithin über ganz Scholmerbach, damit das Kindelein gleich spüren würde, wie herrlich es war in Gottes weiter Welt.
    Ich klappte mein Buch zu, das ich mir im Schreibwarenladen Kästaler in Wällershofen gekauft hatte und das sich nun allmählich füllte, und sah zu meiner Großmutter Apollonia herüber, die schon schlief und hoffentlich beim Aufwachen nicht mehr so plemplem war von den Spritzen vom unbegabten Dr. Samstag. Wenn sie aber wieder vollkommen bei Verstand war und mein Buch sah und mich fragte: Was schreibst du da für dummes Zeug?
    Oder wenn sie aus Versehen das Buch finden würde und alles las und sagen würde: Weißt du, Marie, es war alles ganz anders …?
    – Ach, würde ich dann sagen müssen mit hochrotem Kopf. Das hat Tante Hanna erzählt. Oder Tante Klarissa. Dou hast es mir früher selber erzählt.
    – Eysch han gar nichts erzählt, würde sie sagen.
    – Ihr wart die drei Schönsten weit und breit!
    – Dummes Zeug.
    – Hat Onkel Günther gesagt.
    – Beim Onkel Günther ist immer eins schöner wie’s die annere, je nachdem, welche er gerade vor sich hat.
    – Die Dapprechter Mädchen waren immer die Schönsten, das haben alle gesagt.
    – Noja, mir hatten schwere Nester im Genick. Das galt dann als schön. Nur Tante Klarissa nicht, dey hatte ja nur dünnes, futscheliges Haar.
    – Dann stimmt alles, was eysch geschrieben habe.
    – Jeder erzählt alles anders, Onkel Dagobert, Onkel Konrad, Tante Rosalia, Onkel Balduin, … jeder will was anders gesehen haben.
    Apollonia konnte mir nicht wirklich sagen, an was sie sich erinnerte. Sie lag auf dem Rücken, es war schon spät, ihr Kopf lag erhöht, sie konnte immer nur schlafen mit dem Kopfteil, und was sie jetzt träumte, das wusste kein Mensch. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher